Jeton unter Beschuss

Nach rechtem Übergriff: Linke attackieren Diskothek

  • Anne Britt Arps
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Frankfurter Allee flogen Steine.
In der Frankfurter Allee flogen Steine.

In der Nacht zum Dienstag hagelte es in Friedrichshain Steine. Rund 200 überwiegend schwarz gekleidete Personen griffen gegen 23.15 Uhr die Diskothek »Jeton« in der Frankfurter Allee an. Die Verglasung, die Leuchtreklame, die Außentreppe und drei davor geparkte PKW wurden dabei beschädigt, teilte die Polizei mit. Ein vorbeifahrendes Streife und die kurze Zeit später anrückende Bereitschaftspolizei seien ebenfalls beworfen worden, wobei ein Beamter leicht verletzt wurde. Als sich drei Hundertschaften um den Ort des Geschehens zusammenzogen, flüchteten die Angreifer in Seitenstraßen. Ermittelt werde nun wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Festnahmen habe es nicht gegeben.

Handelt es sich bei der Tat um einen Racheakt der Linken? Stefan Kuhlmann von der Registerstelle Friedrichshain, die rechte Übergriffe dokumentiert, geht von einem Zusammenhang zwischen der Attacke auf das »Jeton« und dem brutalen Übergriff auf einen 22-jährigen Neuköllner in der Nacht zum Sonntag am S-Bahnhof Frankfurter Allee aus. Vier rechte Schläger hatten den Studenten Jonas K. brutal zusammengeschlagen und ihn mit einem Tritt auf den Kopf lebensgefährlich verletzt. Die vier mutmaßlichen Täter wurden noch am Tatort festgenommen und sitzen nun in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Versuchter Totschlag. Augenzeugen zufolge sollen sie vor ihrer Tat in der gegenüberliegenden Diskothek »Jeton« gefeiert haben, berichtet Kuhlman.

Schon in der Vergangenheit war das »Jeton« Ausgangspunkt für neonazistische Angriffe. »Hier verkehrt eine Melange aus Hooligans, normalem Partypublikum und Rechtsextremisten«, erklärt Sabine Kritter von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Es könnte so eine Stimmung entstehen, in der gerade nachts MigrantInnen und alternative Jugendliche die Umgebung der Diskothek meiden.

Inzwischen steht der Verletzte Jonas K., der nicht mehr in Lebensgefahr schwebt, selbst im Visier der Ermittlungen. Er soll an einem Angriff auf die vier Neonazis aus einer Gruppe von zehn jungen linken Männern heraus beteiligt gewesen sein – bevor sie ihn zusammenschlugen. Auch gegen einen anderen Mann wird deswegen ermittelt. Die Polizei nahm ihn am Montag vorläufig fest. Dienstagabend war er wieder auf freiem Fuß.

Die Ermittlungen dürften nicht zu einer Verharmlosung von Nazi-Gewalt führen, fordert die Abgeordnete Evrim Baba von der Partei Die LINKE. »Ob Jonas K. nun zu einer Gruppe linker Jugendlicher gehörte, die nicht hinnehmen wollte, dass Personen mit Naziklamotten durch Friedrichshain ziehen, ist zweitrangig. Fakt ist, dass es einen Mordversuch gegeben hat.« Baba fordert Bezirk und Senat auf, den Betreibern des »Jeton« eine klare Positionierung abzuverlangen.

Als Reaktion auf den Übergriff ruft ein breites antifaschistisches Bündnis für Samstag, den 18. Juli, um 18 Uhr am Bersarinplatz zu einer Demonstration »gegen rechten Terror« in Friedrichshain auf.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.