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  • Leichtathletik-WM: Noch 20 Tage

Zur Not als Pappfigur

Erst die Hälfte der Tickets für die Leichtathletik-WM ist verkauft

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 4 Min.
Eigene Ankündigung: Schlangen läuft durch Berlin.
Eigene Ankündigung: Schlangen läuft durch Berlin.

Lieber als Pappfigur präsent sein, als gar nicht. So hat es sich Carsten Schlangen gedacht, der Deutsche Meister über 1500 Meter. Er will für sich werben, für seinen Auftritt bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. Weil er von den offiziellen Werbemaßnahmen des WM-Organisationsstabs nur »mäßig begeistert« ist, hat Schlangen, der an der TU Berlin Architektur studiert, kurzerhand selbst eine Kampagne entworfen. Am Alexanderplatz joggt der 28-Jährige seit Mitte der Woche als lebensgroße Pappfigur über Bauwasser-Rohre seines Sponsors. Schlangen sagt: »Ich will damit in der Stadt ein Zeichen setzen.«

Man kann sich vorstellen, dass es einige Leute gibt, die über dieses Zeichen des Mittelstreckenläufers drei Wochen vor dem WM-Beginn am 15. August nicht so recht erfreut sind. Sie sitzen im »Haus des Deutschen Sports«, unweit des Olympiastadions, der Residenz des

WM-Organisationskomitees BOC. Erst vor Tagen mussten sie hören: »Zu wenig Werbung«, so klagten Speerwerferin Christina Obergföll und Weitspringer Sebastian Bayer öffentlich. Auch die Berlinerin Betty Heidler, die Titelverteidigerin im Hammerwerfen, beklagte im »kicker«, dass in Frankfurt am Main, wo sie jetzt lebt, von der WM nichts zu sehen sei.

Cem Herder, der OK-Sprecher, kennt die Kritik der Athleten. Begeistert sei er nicht, immerhin hätten Bayer und auch Obergföll an der Roadshow teilgenommen, erzählt Herder, der Werbetour durch deutsche Städte. Beide gehören wie auch Heidler und Schlangen zur Image-Kampagne »17 Gesichter der WM«. Das Problem ist zweischneidig: Einige beschweren sich, dass sie kaum eingebunden werden, anderen fehlt für PR-Termine aufgrund der WM-Vorbereitung die Zeit.

»Aber jetzt beginnt ja erst die intensive Werbeoffensive«, beschwichtigt Herder. »City-dressing« heißt das Zauberwort – Stadtdekoration. 700 Großflächen werden plakatiert, die meisten in Berlin und im Brandenburger Umland. Als Motiv: die beiden Protagonisten des 100-Meter-Spektakels, Olympiasieger Usain Bolt aus Jamaika und Weltmeister Tyson Gay aus den USA. Dazu kommen Radio- und Fernsehspots deutschlandweit, die Berliner Busse und Müllautos der Stadtreinigung werden mit Aufklebern verziert.

Die späte Werbeoffensive drei Wochen vor Beginn der neuntägigen Wettkämpfe scheint auch nötig. Rund 250 000 Karten sind bis jetzt verkauft, die Hälfte von dem, was die Organisatoren im Vorverkauf absetzen wollten. Trotzdem beruhigt Herder: »Bei der WM in Osaka vor zwei und Helsinki vor vier Jahren waren zum gleichen Zeitpunkt weit weniger Karten verkauft.« Umfragen, nach denen nur knapp jeder fünfte Deutsche weiß, dass Berlin im August die Leichtathletik-Titelkämpfe beheimatet, lassen die WM-Planer kalt. Berlin werde ein guter Gastgeber sein, heißt es dann, getreu dem WM-Motto: »Have a good time«.

Insgesamt 1,5 Millionen Euro umfasst das Budget für Werbung. Auch die 22 Veranstalter der deutschen Sportfestserie German Meetings hätten gerne Banner aufgestellt und einen Infostand im Stadion gehabt. Doch ihr Angebot an das BOC, für 20 000 Euro bei allen Meetings flächendeckend im Stadion zu werben, wurde vom OK ausgeschlagen. »Das hat uns alle etwas verwundert«, sagt Ulrich Hobeck, Präsident der Meetingvereinigung. Hobeck ist seit 20 Jahren auch Chef des traditionellen Lausitzmeetings, das am 8. August in Cottbus stattfindet. Dort wird es keine Banner geben, auch Maskottchen Berlino kommt nicht. Gleiches galt für das Leichtathletikfest in Cuxhaven am Mittwoch. Hier wurde auf die WM nur über den Stadionsprecher hingewiesen. »Man hätte uns ja ein Plakat geben können. Wir hätten gern Werbung gemacht«, sagt Meeting-Direktor Heinz Hüsselmann.

Jeden Tag sind bei der WM Medaillen zu vergeben. Am Auftaktwochenende fallen Entscheidungen mit dem Highlight 100-Meter-Finale der Männer am Sonntag. Trotzdem sind für dieses Wochenende noch tausende Karten zu haben. Die Veranstalter setzen auf den Verkauf an der Tageskasse. Auch, weil sich das derzeit arg gebeutelte öffentliche Verkehrsnetz in der Hauptstadt pünktlich zu Beginn der WM normalisieren soll. »Wir werden zur WM sicher noch keinen vollen Fahrzeugpark haben«, sagt S-Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert, »aber wir werden alles mobilisieren, was wir haben.« Ein Zeichen, das den Organisatoren gefallen dürfte. Immerhin eines dieser Tage.

WM-Tickets gibt es im Internet unter www.berlin2009.org, unter der Hotline 01805-120091 sowie Vorverkaufsstellen. Tagestickets kosten zwischen 20 und 135 Euro, Dauerkarten von 350 bis 960.

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