Kaschemme zum braunen Kameraden

Bürger-Bündnis machte auf bei Rechten beliebte Kneipe am S-Bahnhof Schöneweide aufmerksam

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch direkt vor dem rechten Treffpunkt wurden Handzettel geklebt.
Auch direkt vor dem rechten Treffpunkt wurden Handzettel geklebt.

Eine seltene Runde traf sich am Montagabend im Wahlkreisbüro von Gregor Gysi (LINKE) in der Brückenstraße in Niederschöneweide: Sein direkter Konkurrent von der CDU, Niels Korte, war gekommen. Dazu Lokalpolitiker von der LINKEN, der SPD, der CDU sowie Anwohner ohne Parteibuch. Es ging nicht um Wahlkampf, sondern um eine gemeinsame Aktion gegen die lokale rechte Szene .

Zusammen verteilten sie einen Brief an die Anwohner, der auf die Kneipe »Zum Henker« in ihrer Straße aufmerksam machte. Die Kneipe sei eine »Anlauf- und Vernetzungsstelle der Berliner Neonazi-Szene«, heißt es in dem Schreiben, den Treptow-Köpenicks Jugendstadtrat Dirk Retzlaff (SPD) geschrieben hatte. »Mehrfach fanden dort Polizeieinsätze und Kontrollen des Ordnungsamtes statt.« Insgesamt sechs Strafanzeigen wurden seit ihrer Eröffnung Ende Februar aufgenommen, etwa wegen Körperverletzung und Zeigen von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen.

Die Bürger werden aufgefordert, Strafanzeigen zu stellen, damit die Kneipe »nicht länger als Störfaktor und Treffpunkt für gewaltbereite Rechte fungiert«. Die Reaktion der Anwohner ist unterschiedlich. Eine Frau mit südländischem Aussehen freut sich: »Endlich tut mal jemand was. Ich habe jeden Tag Angst vor den Rechten«, sagt sie, als ihr ein Mann den Zettel überreicht. Sie ist eher eine Ausnahme. Eine Spätaussiedlerin hat auch Angst. Aber ob die Zettelaktion was ändert? Sie ist skeptisch. Lieber will sie sich unauffällig verhalten.

Eine andere Frau schreit wütend aus dem Fenster: »Die Leute im ›Henker‹ sind doch nur in ihrer Kneipe und verhalten sich ruhig. Die tun nichts. Kümmern Sie sich lieber um die Disco in den Spreehöfen. Nach jeder Disco ist hier Lärm, so dass man nicht schlafen kann.«

Der »Henker« existiert nahe dem S-Bahnhofes Schöneweide nicht im luftleeren Raum. Die Gegend ist eine polizeibekannte Hochburg der Neonazis. »Rechte haben auch in einem Tattoo-Studio das Sagen«, meint Hans Erxleben vom Bündnis für Demokratie und Toleranz. Sie sind Kunden beim Friseur und sie haben die Lufthoheit über die Straße. An Häuserfassaden und an eine Schaufensterscheibe sind Hakenkreuze geritzt oder geschmiert. Ein Mann trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift »Frontbann 24, Ortsgruppe Schöneweide«. Die rechte Kameradschaft, deren Name an eine Vorläuferorganisation der SA erinnern soll, wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Innenverwaltung prüft derzeit ein Verbot. Der Mann grüßt zwei Kameraden mit szenetypischer Kleidung. Die Verteilaktion wird von der rechten Szene genau beobachtet. Aber auch die Polizei ist an diesem Abend in der Brückenstraße stark präsent.

Der »Henker« selbst war geschlossen. Die Lokalität, an der in altdeutscher Frakturschrift der Name prangt, ist ganz und gar keine normale Kneipe. Die Fensterscheiben sind verdunkelt. Laufpublikum wird sich hierher kaum verirren. Ein Mann, der sich selbst als Stammgast bezeichnet, nennt die Kneipe für sich »enorm wichtig, weil die nationale Bewegung hier mal unter sich sein kann. Hier werden wir nicht ausgegrenzt«.

Für Hans Erxleben war das Zettelverteilen ein Erfolg. »Wir haben die Anwohner auf ein Problem aufmerksam gemacht und einige von ihnen sensibilisiert.«

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