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Leichter, als man denkt
Denkwerkzeuge für ein besseres Leben – Heureka
Klares Denken erfordert Logik, kreatives benötigt Ideen. Problemlösendes Denken ist umso erfolgreicher, je vielfältiger die geistigen Strategien sind, mit deren Hilfe das zu lösende Problem z. B. aus unterschiedlicher Sicht gesehen, in Teilaspekte zerlegt oder anhand von Spezialfällen untersucht wird.
Eben solche geistigen Instrumente zur Ideenfindung führt Christian Hesse (Foto: Archiv), Mathematikprofessor an der Universität Stuttgart, in diesem Büchlein vor. Unter ihnen sind das Analogieprinzip, der Widerspruchsbeweis, das Induktionsprinzip, das Symmetrieprinzip, Extremalprinzipien, Rekursion und Iteration etc. Was hier an heuristischen Denkwerkzeugen geboten wird, ist wahrlich mehr als ein kleines Einmaleins. Der Leser erlebt die Hohe Schule kreativen Denkens. Mitdenken ist angesagt, wobei die meisten Beispiele sich im Rahmen der Schulmathematik bewegen.
Der Text ist gespickt mit vielen Sach- und Lachgeschichten und Cartoons, die ein echtes Lesevergnügen bereiten. Verblüffende Aha-Erlebnisse stellen sich ebenso ein wie Spaß an den Demonstrationen »carlfriedrichgaußischer« Bewältigung vieler Alltagsprobleme, sowie an der Vorführung von Zaubertricks mit Karten und Münzen. Wir erfahren etwa, wie man den Zufall in der Umfrageforschung und bei Vorhersagen nutzen kann. So hat der amerikanische Astrophysiker Richard J. Gott 1969, anlässlich eines Berlin-Besuches, mit Hilfe seiner »Kopernikus-Methode« die Vorhersage getroffen, dass die Berliner Mauer 24 Jahre später, also 1993; nicht mehr stehen würde. Dass eine Ein-Euro-Münze auf 4562 verschiedene Arten gewechselt werden kann, lässt sich mit der »Brute-Force-Methode« ebenso demonstrieren, wie aus dem Randomisierungsprinzip folgt, dass es ratsam ist, alle Jungfernfahrten bei Schiffs-, Flug- und anderen Reisen zu meiden. Wem gerichtlich untersagt wird zu behaupten, dass in einem bestimmten Gremium die Hälfte der Mitglieder Idioten sind, kann sich immerhin das Gegenteilsprinzip zu Nutze machen, indem er flugs erklärt, die Hälfte seien keine Idioten.
Zumeist aber wird Seriöses in ansprechender Verkleidung geboten, etwa dass ein abstrakter mathematischer Sachverhalt wie der Kleine Fermatsche Satz durch eine simple Färbetechnik bewiesen werden kann. Es findet sich hier auch die Geschichte des Beweises des Großen Fermatschen Satzes durch Andrew Wiles. Berichtet wird, wie es Alan Turing während des Zweiten Weltkrieges gelang, die deutsche Kodiermaschine »Enigma« zu knacken, und über das »ping and pong«-Spiel des Kunsthistorikers Ernst Gombrich. Der Leser wird erkennen: »Denken ist leichter, als man denkt.«
Christian Hesse: Das kleine Einmaleins des klaren Denkens. 22 Denkwerkzeuge für ein besseres Leben. C. H. Beck, München. 352 S. br. 14,95 €.
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