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Restauration eines Herrschaftssymbols
Schlösser-Stiftung möchte Staatswagen von Friedrich Wilhelm II. in Paretz präsentieren
Einer Mutter radelt an den Werkstätten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) vorbei. »Guck mal, eine alte Kutsche«, ruft sie ihrem Sohn zu. Es handelt sich nicht um irgendeine Kutsche, die durch ein geöffnetes Garagentor zu sehen ist, sondern um den Staatswagen von Friedrich Wilhelm II.. Der Wagen wird gegenwärtig aufwändig restauriert. Die Stiftung informierte gestern über den Fortgang der Arbeiten. Kameraleute und Fotografen drängten sich deswegen vor dem Gebäude im Potsdamer Neuen Garten.
Das 1789 gefertigte Einzelstück kostete seinerzeit 6286 Taler, also das 20-fache des Jahresgehalts eines preußischen Kapellmeisters, wie SPSG-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh erzählt. Luise, die Braut des Kronprinzen, fuhr in dieser Kutsche einst das letzte Stück ihres Weges von Mecklenburg nach Berlin zur Hochzeit. Für das Paar errichtete Baumeister David Gilly in den Jahren 1797 bis 1804 Schloss Paretz als Sommerresidenz. Dort möchte die Stiftung die Kutsche ab 2010 präsentieren. Den Anlass bildet der 200. Todestag der zu ihrer Zeit im Volk beliebten Königin Luise.
Die ersten Überlegungen zur Restaurierung der Kutsche wurden bereits 1996 angestellt und die Herrichtung endet keineswegs im kommenden Jahr. Fachleute kopieren fehlende Holzteile nach alten Plänen und Fotos und ergänzen sie. Das dauert voraussichtlich noch bis 2012. Danach beginnt die Auspolsterung. Nur wenige textile Reste sind erhalten.
Nicht alle verlorenen Teile können ersetzt werden. Zumindest vom Gesamteindruck her soll das Gefährt aber wieder wie früher werden. Zunächst kommt das Dach dran. Anzufertigen sind dafür Kronen, Adler und ein Helm mit Busch als Symbole von Macht und Würde. Die Schwierigkeit für die Restauratoren besteht darin, dass keine Ansichten von oben überliefert sind, berichtet Holzwerkstattchef Thomas Kühne. Außerdem lassen sich die filigranen Gegenstände nur mit allergrößter Mühe aus dem harten Nussbaumholz formen. Die vier Kronen schnitzte der Holzbildhauer Damian Valles Castro schon fast fertig. »Ein bis zwei Tage benötige ich dafür noch«, sagt der Spanier und zeigt lächelnd die Schwielen an seiner linken Hand.
Die Kutschenbauer August und Christian Ginzrot waren Meister ihres Fachs. Ihre Straßburger Werkstatt belieferte verschiedene Herrscherhäuser. 1790 zum Beispiel bestellte der sächsische Kurfürst Friedrich August III. ein ähnliches Gefährt, für das er jedoch nur ein Viertel der Summe zahlte, die der preußische König ausgab.
Wie viel die Restaurierung kostet, möchte die Schlösser-Stiftung nicht sagen. Das sei aber noch teurer als der Bau, erläutert Sammlungskustodin Claudia Meckel. Immerhin gaben die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Mittelbrandenburgische Sparkasse jetzt etwas dazu. Er habe auf den Scheck geschaut und gesehen, das reiche für eine Weile, freute sich Generaldirektor Dorgerloh.
Die 1902 zum letzten Mal instand gesetzte Kutsche konnte ab 1927 im Berliner Schloss Monbijou besichtigt werden. Während des Zweiten Weltkriegs lagerte man sie in den Marstall des Babelsberger Schlosses aus. 1945 sollen sowjetische Soldaten die Kutsche schwer beschädigt haben. Hundertprozentig verbürgt sei das nicht, räumt Kustodin Meckel ein, aber »sehr wahrscheinlich«. Eine Frau, die damals und auch später in der DDR in der Schlösserverwaltung arbeitete, habe sich erinnert, dass Rotarmisten Kutschen im Park Babelsberg den Hang hinunter ins Wasser stießen. Der Staatswagen weise Wasserschäden auf und sei offenbar umgestoßen worden, weil eine Seite besonders demoliert sei.
Außerdem sind den Figuren am Tritt für die Lakaien Brüste und Nasen abgeschlagen. Dies sei ein Siegesritual bei asiatischen Völkern, bemerkt Werkstattleiter Kühn. Bekanntlich dienten Angehörige solcher Völker in den sowjetischen Truppen. Meckel verglich den Vorgang mit den Ereignissen der Französischen Revolution. Als das Volk 1789 die Bastille erstürmte, habe es anschließend die Karossen des Königs angezündet.
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