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Senat erwägt Kauf von Gasag-Anteilen

Vattenfall will beim Erdgasversorger aussteigen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Senat überlegt, wieder ins Gasgeschäft einzusteigen. Nachdem bekannt wurde, dass der Energiekonzern Vattenfall plant, seinen Gasag-Anteil von 31,575 Prozent zu verkaufen, brachte Umwelt- und Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (LINKE) den Vorschlag in die Debatte ein, das auf über 500 Millionen Euro geschätzte Aktienpaket zu erwerben. »Bereiche der Daseinsvorsorge wie die Energieversorgung bedürfen staatlicher Kontrolle«, sagte Lompscher in einem Zeitungsinterview. Und die lasse sich am besten ausüben, wenn man Unternehmensanteile hat. Lompscher will Einfluss auf die Gaspreise und die Klimaschutzziele der Gasag nehmen.

Die Grünen kritisierten die Pläne. Erstens sei kein Geld da und zweitens fehlten generell die energiepolitischen Ziele hinter der Kaufidee.

Ob sich Berlin gegen den französischen Versorger Gaz de France (GDF) durchsetzen kann, der ebenfalls als Bieter infrage kommt, ist indes fraglich. GDF hätte dann eine 60-prozentige Mehrheit an der Gasag. Der größte Gasimporteur Europas dürfte Interesse an den Vattenfall-Anteilen haben, weil die Gasag plant, deutschlandweit zu expandieren.

Wer die Anteile erwerbe, mache letztlich keinen Unterschied, sagte Gasag-Sprecher Klaus Haschker gegenüber ND. »Die Gasag verfolgt eine vernünftige Linie, auch was Energie- und Umweltpolitik angeht, und wir gehen davon aus, dass auch ein neuer Anteilseigner die Strategie mittragen wird.« Wer das sein werde, sei Gegenstand bloßer Spekulation, so Haschker. Die einzig belastbare Information sei, dass Vattenfall seine Anteile verkaufen will.

Das bestätigte Vattenfall-Sprecher Stephan Müller. Aber: »Zu Preis, potenziellen Bietern oder dem Zeitraum äußern wir uns nicht.« Minderheitenbeteiligungen »gehören nicht zum Kerngeschäft« des Energieriesen, und die Finanzkrise sei auch am Energiemarkt nicht spurlos vorüber gegangen. Es gehe aber nicht nur um den Preis, sondern um das Gesamtpaket, sagte Müller. Das Bekenntnis zum Klimaschutz werde der Konzern einhalten und auch der Verantwortung den Berlinern gegenüber gerecht werden.

Auch aus dem Finanzsenat ist vorerst nur Vages zu hören. »Wir werden uns die Sache in Ruhe anschauen, prüfen, was das kostet und welche Vorteile es bringen würde«, sagte Sprecher Clemens Teschendorf. Weder in die eine noch in die andere Richtung sei bisher etwas entschieden worden.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE), 1998 Gegner der Gasag-Privatisierung durch die Koalition aus CDU und SPD, verfolge mit Interesse das Entstehen eines Verbundes von Stadtwerken, sagte dessen Sprecher Stephan Schulz. Berlin sollte jetzt prüfen, »welche Chancen sich für eine Rekommunalisierung der Gasag ergeben«. Man dürfe aber »keine Schnellschüsse« produzieren. Dafür sei das Thema zu wichtig.

Die Rekommunalisierung von Stadtwerken oder Abfallentsorgern ist ein bundesweit zu beobachtender Trend. Der Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) und Oberbürgermeister von Hannover, Stephan Weil (SPD), sagte in einem Beitrag der Zeitschrift »Das Parlament« bereits im September 2008, »Gemeinden würden sich zunehmend des Wertes eigener Stadtwerke bewusst«. Viele Kommunen kauften beispielsweise ihre Versorgungsnetze zurück, wenn die Verträge mit den Versorgern ausliefen.

Im Dezember 2008 wurden Pläne des Senats bekannt, Teile der Gasag-Tochter NBB zu rekommunalisieren. Mit 25,1 Prozent wollte man eine Sperrminorität an dem Unternehmen erwerben, das als Monopolist die Gasnetze in Berlin und Brandenburg betreibt. Auch diese Gespräche laufen noch.


Die GASAG – Zahlen und Fakten

  • Die Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft entstand 1847 als stadteigenes Gaswerk. Seit 1923, mit Gründung der städtischen Gaswerke AG, bürgerte sich der Begriff GASAG ein.
  • Die GASAG ist der größte kommunale Versorger Europas und bedient in Berlin mehr als 600 000 Haushalte.Das Unternehmen wurde in drei Schritten bis 1998 privatisiert. Berlin verdiente an dem Verkauf damals geschätzte 1,2 Milliarden Euro.
  • Nach der Privatisierung wurden Tochtergesellschaften gegründet, darunter die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB), die Eigentümerin des Leitungsnetzes ist, Die SpreeGas GmbH in Cottbus und die Stadtwerke Forst.
  • Im Konzern arbeiteten 1998 nach eigenen Angaben 2500 bis 2600 Menschen. Derzeit sind es rund 1500. Bis 2013 will der Versorger 250 Jobs schaffen.
  • Die GASAG zahlt im Jahr 30 Millionen Euro Steuern und Abgaben an Berlin. Der Gewinn liegt nach Konzernangaben bei gut 50 Millionen Euro jährlich.
  • Neben dem schwedischen Energieriesen Vattenfall, der seinen Anteil jetzt verkaufen will, gehört die GASAG der Gaz de France (GDF mit 31,575 Prozent) und der EON-Tochter Thüga (36,85 Prozent).
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