Flink, frech

Coco Chanel von Anne Fontaine

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Anfänge des Modehauses Chanel hingen im Schrank eines Pferdezüchters. Ein französischer Industriellensohn und ein britischer Bergwerksbesitzer waren seine Taufpaten, und der Refrain eines Liedchens, mit dünner Stimme vor bezechten Offizieren in einem halbseidenen französischen Provinzkabarett gesungen, verhalf der Modehaus-Gründerin zu dem Spitznamen, der ein Markenzeichen wurde: Coco.

Eigentlich hieß Coco Chanel mit Vornamen Gabrielle, war die außerehelich geborene Tochter eines südfranzösischen Hausierers und nach dem Tod ihrer Mutter vom Vater in einem Waisenhaus abgegeben worden. Dort lernte sie das Nähen. Ihr Ehrgeiz aber galt der Bühne – ein Ehrgeiz, der zwar nicht ihren Talenten entsprach, wohl aber ihrer sozialen Stellung. Denn als hübsches Mädchen ohne Geld oder Familie war sie Anfang des 20. Jahrhunderts eine potenzielle Opferfigur, eine Frau, an der sicher mancher teilzuhaben hoffte, von der aber niemand große Sprünge erwartete.

»Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft« erzählt vom Ende des frühen Traums, vom Aufstieg per Bühnenkarriere und vom Beginn einer echten Berufung, vom Weg aus der Provinz in die Großstadt und von der Anonymität in die Berühmtheit. Und er erzählt davon, wie eine bahnbrechende Idee alle Hindernisse überwindet, die Tradition und soziale Gepflogenheiten ihr in den Weg stellen. Es ist die Geschichte einer Emanzipation unter mehrfach erschwerten Bedingungen, und es macht Spaß, ihr zuzusehen.

Im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts erfindet Chanel die Mode der Zwanziger und die Ansätze der Mode manchen Folgejahrzehnts. Kein Korsett mehr, keine Rüschen, keine Einschnürungen. Keine Gärten, Obstplantagen oder Volieren auf den Hüten. Wenig Farben, viel Schwarz oder allenfalls mal ein quergestreiftes Herren- oder Fischerhemd, ganz übernommen oder in Teilen in die Damengarderobe eingearbeitet. Kein bodenlanger Rock, also auch kein Zwang zum Damensattel. Stattdessen Hosen oder Reithosen, schlichter Strohhut statt Zeltdach, die gerade Linie an Stelle der Eieruhrenform und kinnkurze Haare statt der pflegeintensiven, langzopfigen Hochsteckfrisuren.

Coco Chanel, wie Anne Fontaine sie inszeniert und Audrey Tautou sie spielt – meilenweit weg von den neckischen Manierismen einer Amélie –, ist selbstsicher und willensstark bis zur Unverschämtheit. Als es mit der Bühne nicht klappt, lässt sie sich gnädig herab, sich von Etienne Balsan (Benoît Poelvoorde) aushalten zu lassen, dem Gentleman-Pferdezüchter (und Industriellensohn), dessen maßgeschneiderte Hemden und Reithosen den Rohstoff abgeben werden für ihre ersten Kreationen. Lässt sich von ihm in Welt und Halbwelt einführen und experimentiert in der Schutzzone seines Gutes mit Hüten und Kleidern herum, die die Trägerin nicht verniedlichen, sondern Raum lassen für Bewegung. Und verliebt sich in seinen Gast, Arthur »Boy« Capel (Alessandro Nivola), einen englischen Unternehmer, der ihr ein erstes Ladengeschäft finanzieren wird.

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