Mordsspaß: Alte Krimifälle neu entdecken

Auf Stadtrundfahrt werden Tatorte gezeigt und frühere Verbrechen geschildert

  • Anja Probe
  • Lesedauer: 3 Min.
Finstere Gassen, zwielichtige Gestalten, Verbrechen, Schießereien. In diese Atmosphäre können ab morgen krimibegeisterte Menschen eintauchen. Sie müssen dazu nicht in die Chicagoer Unterwelt, sondern nur zum Potsdamer Platz. Von da starten die »kriminellen« Stadtrundfahrten vom »pluspunkt e.V.«. In der 180-minütigen Tour verfolgen die Teilnehmer Spuren von 15 spektakulären Berliner Kriminalfällen der letzten 470 Jahre. Einer der bekanntesten ist wohl die Suche nach dem »S-Bahn-Mörder«, der von 1938 bis 1941 in den Kleingartenanlagen und auf den Gleisen beim Bahnhof Rummelsburg sein Unwesen trieb. Am Tage war der Stellwerksarbeiter Paul Ogorzow ein unauffälliger Mann, verheiratet und Vater, der ein bürgerliches Leben führte. Im Wirklichkeit hasste er alle Frauen. Bis er endlich gefasst wurde, waren 30 Vergewaltigungen, 6 versuchte und 8 vollendete Morde das traurige Fazit seines Tuns. Am 25. Juli 1941 wurde sein Todesurteil in Plötzensee vollstreckt. Die Krimitour führt weiter nach Karlshorst, wo Max Klante bis 1921 in seinem Pferdewettbüro die Kunden betrog und dennoch mit einer Negativbilanz von 60 Millionen Mark Konkurs ging. Blutiger wird es dann wieder in Friedrichshain. Untermieter mordeten aus Geldgier ihre Wirtinnen und die berüchtigte Gladow-Bande schoss sich ihren Weg frei. Der 18-jährige Werner Gladow hatte ausgiebig amerikanische Gangsterfilme studiert und beschlossen, der »Al Capone von Berlin« zu werden. Bis zur Verurteilung im April 1950 gingen 2 Morde, 15 Mordversuche, 19 Raubüberfälle und zahlreiche weitere Verbrechen auf das Konto seiner Truppe. Das Gebiet um den Schlesischen Bahnhof in Kreuzberg war Anfang der fünfziger Jahre eine Hochburg der wieder erstandenen so genannten Ringvereine. Kleine Ganoven und »schwere Jungs« schlossen sich für Gaunereien, Schutzgelderpressung und Überfälle zusammen. Die einflussreichste Organisation war der »Süd-Ost-Verein« mit dem Anführer Gerhard Hirschfeld. 1955 machte jedoch die Polizei auch dieser Verbrecherbande ein Ende. Der Fall vom Schneider Franz Tomaschek ist etwas älter. Er täuschte 1848 seinen Tod vor, um die Versicherungssumme zu kassieren. In seinem Grab lag für ihn ein mit Eingeweiden umwickeltes Bügelbrett, was ihn als »kriminellstes Plättbrett« in die Geschichte eingehen ließ. Recherchiert hat all diese Fälle der Soziologe und Stadthistoriker Armin Woy. Seit sechs Jahren organisiert er die schaurigen Stadtrundfahrten. »Wir ändern die Touren regelmäßig. Ab dem 12. April erzählen wir wieder ganz neue Greueltaten«, so Woy. Für ihn gehört die düstere Seite der Metropole auch zur Stadtgeschichte. Um eine unheimliche, authentische Atmosphäre zu erzeugen, beginnt der Mordsspaß meistens erst im Dunkeln. Deshalb sollen die Krimifans Taschenlampen mitnehmen. Aber keine Angst: Alle Teilnehmer kehren wohlbehalten zurück. Termine: 12./26. April, 10. Mai, 11. Oktober jeweils um 20 Uhr, am 15. Juni, 10. August, 14. Dezember ab 14 Uhr. Die dreistündigen Fahrten beginnen am Leipziger Platz, Eingang U-Bhf Potsdamer Platz. Eine Karte kostet 19 Euro, erm. 16 Euro. Vorbestellungen unter 7744081.

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