1000 Kreuze gegen Selbstbestimmung

»Trauermarsch« von Abtreibungsgegnern heute in Mitte / Linkes Bündnis plant Protestaktionen

  • Katharina Zeiher
  • Lesedauer: 3 Min.

Selbsternannte »Lebensschützer« wollen heute dunkel gekleidet und mit weißen Kreuzen durch Berlins Mitte ziehen. Unter dem Motto »1000 Kreuze für das Leben« planen die christlichen Abtreibungsgegner einen »Marsch der Trauer um alle abgetriebenen Kinder«, wie ein Mitglied des aufrufenden Bundesverbands Lebensrecht (BVL) sagt. Doch linke Gruppen und Frauenorganisationen rufen zum Protest auf: »Laut und bunt« werde man den Kreuzträgern entgegentreten, so die Sprecherin des Bündnisses gegen Abtreibungsverbot und christlichen Fundamentalismus, Sarah König. Auch der Bundesverband der Linkspartei unterstützt die Gegenaktivitäten.

Das kann den Abtreibungsgegnern naturgemäß nicht passen. Als »antidemokratisch« und »autoritär« bezeichnet denn auch der BVL den Protest des Gegenbündnisses. »Dass sie dies unter antifaschistischem Siegel tun, pervertiert die Wertordnung des Grundgesetzes und stiftet geistige Verwirrung«, heißt es kryptisch auf der Internetseite des BVL. Wegen der angeblich zu befürchtenden »Militanz« der Linken müsse man die Route zunächst geheimhalten, so Gerhard Steier von Kaleb e. V. Der Verein ist Gründungsmitglied des BVL. Sicher ist aber, dass es ab 13 Uhr vom Roten Rathaus zum Bebelplatz gehen wird. In der dortigen St. Hedwigs Kathedrale soll es um 15 Uhr einen Gottesdienst geben.

Der BVL, ein Zusammenschluss von christlichen »Lebensschutz«- Gruppen, lehnt Abtreibungen als »Tötung ungeborener Kinder« ab und tritt für eine Verschärfung des § 218 ein. Ein generelles Abtreibungsverbot mag Steier im Namen des BVL zwar nicht fordern. Doch wenn man »für das Leben sei«, folge daraus »logischer Weise, dass man Abtreibungen ablehnt«. Die namensgebenden tausend Kreuze stehen dabei für die angeblichen tausend Schwangerschaftsabbrüche pro Arbeitstag – eine Zahl, die statistisch nicht belegbar ist.

Fürsprecher finden die christlichen Abtreibungsgegner besonders bei CDU und CSU. Junge Union, Frauen- und Seniorenunion unterstützen die heutige Kundgebung. Auch die extrem rechte Zeitung »Junge Freiheit« solidarisiert sich. Der Berliner Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat den Abtreibungsgegnern ein Grußwort geschickt. Darin heißt es: »Ein Recht auf Abtreibung kann es nicht geben.«

Sarah König vom Gegenbündnis sieht dies als Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung: »Wir stellen die Tendenz fest, dass Lebensschutz zunehmend über das Selbstbestimmungsrecht der Frau gestellt und Feminismus als Ideologie abgehandelt wird.« Die Verschärfung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu Jahresbeginn sei auch ein Erfolg der christlichen Lobbyarbeit. »Abtreibung ist wieder in der Debatte«, so König. Das Gegenbündnis hofft, heute viele Menschen auf die Straße zu bringen. Bereits in den vergangenen Jahren waren die Abtreibungsgegner durch Berlin und andere deutsche Städte gezogen. In München nahmen 2008 auch rechtsextreme »Autonome Nationalisten« am Anti-Abtreibungs-Marsch teil – für die bayerischen Initiatoren kein Grund zur Distanzierung.

Die Protestaktion »Abtreibungsverbot abschaffen – Gegen christlichen Fundamentalismus« beginnt um 12.30 Uhr am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus.

no218nofundis.wordpress.com

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