Werbung

Allein zwischen Armeen

Die Kinder der Seidenstraße von Roger Spottiswoode

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Was Florian Gallenberger recht war, muss einem kanadischen Regisseur billig sein. Gallenberger griff für seinen preisgekrönten «John Rabe« auf die lange fast vergessene Gestalt des Siemens-Repräsentanten (und Nazi-Parteimitglieds) in Nanking zurück, um eine Geschichte von Menschlichkeit und Verantwortungsgefühl während des Massakers der japanischen Einwanderer an der chinesischen Zivilbevölkerung im Jahr 1937 zu erzählen. Und auch der Kanadier Roger Spottiswoode bemüht mit seiner Geschichte vom Leben und Sterben des Briten George Hogg eine reale Gestalt für sein filmisches Loblied auf einen Lebensretter, der inmitten der Kriegsgräuel des zweiten sino-chinesischen Kriegs Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zeigte.

Der Oxford-Absolvent Hogg war nach dem Studium auf Weltreise, geriet während eines Wochenendausflugs nach Shanghai mitten hinein in den japanischen Einmarsch, und fand, obwohl aus einer Familie von überzeugten Pazifisten stammend, seine Berufung als Kriegsberichterstatter hinter den japanischen Linien. Er schloss sich den kommunistischen Aufständischen gegen die chinesische Kuomintang-Regierung an. 1943 wurde er von ihnen zum Leiter einer heruntergekommenen Berufsbildungsschule ernannt, deren kriegstraumatisierte Schüler er – frei nach dem Muster eines englischen Privatschulinternats – Disziplin lehrte und sie im Winter 1945 auf einem Gewaltmarsch von über tausend Kilometern in Shandon an der tibetisch-mongolischen Grenze vor den Japanern in Sicherheit brachte.

Spottiswoodes »Die Kinder der Seidenstraße« ist nach diesem Marsch benannt und als chinesisch-australisch-deutsche Koproduktion in China und Australien entstanden. Und weil dies ein Film über den sino-chinesischen Krieg ist, darf das Massaker von Nanking als Illustration japanischer Kriegsverbrechen in China natürlich nicht fehlen. In Spottiswoodes Version des George Hogg (Jonathan Rhys Meyers) ist dieser folgerichtig als Zeuge dabei bei der Eroberung der Stadt, macht Fotos von Massenhinrichtungen und wird prompt von den Japanern verhaftet. Als Reporter entlarvt und schon unter dem Schwert des Henkers knieend, wird Hogg in allerletzter Sekunde von kommunistischen Saboteuren unter der Leitung von Ingenieur Chen (Chow Yun-Fat) gerettet, muss tatenlos zusehen, wie sein westlicher Reisegefährte hingerichtet wird, und entgeht in Chens Begleitung den verfolgenden Japanern, verletzt zwar, aber doch am Leben.

Eine amerikanische Krankenschwester (Radha Mitchell) – die wirkliche Krankenschwester, mit der Hogg sich zu den Kommunisten flüchtete, war Neuseeländerin, wie die neuseeländische Presse spitz monierte – schlägt als Ort der Genesung ein Dorf namens Huang Shi vor. Nicht ohne Hintergedanken, wie sich bald herausstellt: In Huang Shi gibt es nichts als ein verwahrlostes Waisenhaus, in dem sich 64 von ihren Erziehern verlassene Waisenjungen dem Tod entgegenhungern. Erst schlagen sie Hogg zusammen, dann sabotieren sie seine Versuche, ihre verzweifelte Lage zu verbessern. Hogg will nichts als weg, bloß schnell zurück an die Front. Stattdessen werden diese Kinder, verlaust, kriegstraumatisiert und renitent, zu seinem Lebensinhalt. Um sie vor der doppelten Bedrohung japanischer Luftangriffe und der Zwangsrekrutierung durch die Kuomintang-Armee zu schützen, macht er sich mit ihnen auf den Weg, durch Schnee und Eis, über Gebirge und durch die Wüste Gobi.

Das Denkmal, das man ihm dafür in Shandon errichtete, wurde in der Kulturrevolution beschädigt und Mitte der Achtziger wiederhergestellt. Auch Spottiswoodes Breitwand-Epos über Nanking, den Krieg, die Japaner, die chinesischen Nationalisten und das Überleben mit Hilfe eines Netzwerks unterschiedlichster Menschen, die sich über alle Rassen-, Klassen- und ideologischen Unterschiede hinweg schätzen und unterstützen, hätte ein solches Denkmal werden können. An Kameramann Zhao Xiaoding (»House of Flying Daggers«) hat es nicht gelegen, wenn daraus nicht recht was wurde, am chinesischen Teil der Besetzung auch nicht. Ein charismatischerer Rebellenführer als Chow Yun-Fat lässt sich kaum denken, und Michelle Yeoh gibt eine höchst elegante Opiumhändlerin ab, mit einem Herzen aus Gold und einem fatalen Faible für den barmherzigen Mister Hogg.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal