Betriebsfrieden stark gefährdet

Personalrätekonferenz verabschiedet Resolutionen zu eGovernment und Einkommenserhöhungen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

In die Höhle des Löwen wagte sich gestern der parteilose Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Auf Einladung des Hauptpersonalrats stand er den Beschäftigten Rede und Antwort. Die diesjährige Personalrätekonferenz des Berliner öffentlichen Dienstes fand am Freitag in einem Kino am Alexanderplatz statt.

»Wir befinden uns in einer Tarifauseinandersetzung«, sagte der Vorsitzende des Hauptpersonalrats Uwe Januszewski. Die Beschäftigten könnten ihren Gehaltsverzicht, den sie seit 2003 üben, jeden Monat auf dem Kontoauszug sehen. Das letzte Angebot des Senats sei eine »Verhöhnung« der Beschäftigten. Ende September hatte der Senat einen Vertrag mit zwei Jahren Laufzeit angeboten: im ersten Jahr keine Änderung, im zweiten Jahr eine Anhebung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden, bei 1,2 Prozent Lohensteigerung – »eine Kampfansage«, so Januszewski.

Nußbaums einleitende Worte könnten ebenso als Beitrag zur am 28. Oktober anstehenden Verhandlungsrunde verstanden werden. Er lobte einerseits die »hochmotivierten Mitarbeiter«. »Das ist eine Ressource, die wir schätzen müssen.« Das aber dürfte im Wesentlichen ideell bleiben. Denn der Senator betonte andererseits mehrfach, dass er angesichts der drastischen Neuverschuldung im nächsten Jahr, kaum etwas zu verteilen habe. »Es wird schwer, in einem Haushalt, der nicht wachsen kann, alle Wünsche des Personals zu berücksichtigen.«

Doch viele Wünsche sind es gar nicht. In den Fragen und Diskussionsbeiträgen waren drei Themen deutlich herauszuhören: Die Überalterung in den Verwaltungen, der Lohnverzicht und die teils unsinnige und auch rechtswidrige Überstellung von Arbeitskräften in den Stellenpool.

Eine erste Resolution wurde noch während der Konferenz verabschiedet und Nußbaum mit auf den Weg gegeben. Darin fordern die Berliner Personalräte die tarifliche Angleichung der Löhne an die anderen Bundesländer und Kommunen, die Übernahme der Azubis und die Übernahme der Tarifergebnisse für Beamte. Sollte am 28. Oktober kein »ernst zu nehmendes Angebot« vorlegt werden, sei der Betriebsfrieden stark gefährdet.

Kfz-Ummeldungen im Internet, die zentrale Behördennummer 115 und die Online-Lohnsteuererklärung – all das sind Elemente des eGovernment, des »Regierens und Verwaltens mit Unterstützung von Informations- und Kommunikationstechniken«. EGovernment, der andere Themenkomplex auf der gestrigen Konferenz, verspricht Verschlankung der Verwaltung, Effektivierung der Arbeit und ein schnelleres Erbringen von Dienstleistungen. Schöne neue Verwaltungswelt. Doch die Umsetzung der neuen Technologien könnte – so befürchten es die Beschäftigtenvertretungen im öffentlichen Dienst – in erster Linie zu Lasten des Personals ausgetragen werden.

Hauptpersonalrätin Martina Kristan wies auf Gefahren hin, die sich hinter dem eGovernment verbergen. Wenn etwa die digitale Akte eingeführt sei, könnte detailliert nachvollzogen werden, wer welchen Vorgang wie lange und wie oft an seinem Rechner geöffnet habe. Damit drohe eine umfassende technische Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Beschäftigten. Zudem sei eine drohende Folge der Rationalisierung von Arbeitsprozessen ein weiterer Personalabbau.

Manuel Kiper vom Beratungsunternehmen BTQ Niedersachsen betonte, »die öffentliche Verwaltung kommt nicht daran vorbei«. In allen Bundesländern sei eGovernment schon Realität. In den nächsten fünf Jahren solle die Verwaltung vielerorten komplett umgestellt sein – so auch in Berlin. Bei allem Guten, das eGovernment bringe, müssten die Beschäftigten mit der Umstellung auf neue Computersysteme zunächst aber mit Mehrarbeit rechnen, sagte Kiper. Deshalb sei die sozial verträgliche Gestaltung der Umstellung ein Muss. Mit »Technikfeindlichkeit« habe das nichts zu tun.

Mit der Verabschiedung der Resolution »eGovernment in der Berliner Verwaltung sozial verträglich gestalten« endete die Konferenz. Auswirkungen habe eGovernment unter anderem auf den Bestand von Arbeitsplätzen, Qualifizierungsanforderungen und die Arbeitsorganisation in den Verwaltungen, heißt es darin. Das Papier, das mit den Worten »Bürgernähe braucht Menschen, nicht nur Maschinen!« endet, wurde von knapp 300 Personalvertretern am Roten Rathaus einem Vertreter der Senatskanzlei überreicht.

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