Prügel im Schutz der Anonymität
CDU will in der nächsten Plenartagung Kennzeichnungspflicht für Polizisten wieder abschaffen
Mit der blauen Uniform, die für Berlins Polizei eingangs des neuen Jahres Schritt für Schritt eingeführt werden soll, wird auch die Kennzeichnung jedes einzelnen Beamten kommen – mit dem Namen oder der achtstelligen Dienstnummer, per Klettband an die Vorderseite der Hemden oder der Einsatzanzüge geheftet. Dies gilt auch für jene Hundertschaften, die bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Die vierziffrigen Gruppenzeichen auf dem Rücken soll es darüber hinaus weiter geben.
Die CDU möchte nun auf der nächsten Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am 15. Oktober den Entscheid des Polizeipräsidiums zur Kennzeichnungspflicht stoppen. Der Antrag DS 16/2681 fordert vom Senat, auf die geplante Kennzeichnungspflicht zu verzichten. In der Begründung wird von Unverhältnismäßigkeit und Praxisfremde gesprochen.
Man räumt zwar ein, dass ein Polizist im Einsatz Fehler machen und es dabei zu Straftaten kommen könnte. Dies aufzuklären, sei aber bereits jetzt gewährleistet. Für mehr Bürgernähe dürfe zudem nicht ein Generalverdacht in Kauf genommen werden. Zugleich bestünde die Gefahr, dass sich Übergriffe gegen Beamte häufen könnten und sie mit noch mehr Anzeigen und damit Ermittlungsverfahren überzogen würden. Sinnigerweise endet der Antrag angesichts zurückliegender Entscheidungen der Bundes-CDU zur inneren Sicherheit mit der Forderung, keinen Kontrollwahn zuzulassen.
Der CDU-Antrag für die Plenarsitzung dürfte bei der Abstimmung wenig Chancen besitzen. Nach etwa zehnjähriger Debatte zeichnete sich zwischen den anderen Parteien zuletzt ein Konsens ab, den Schritt zu vollziehen. Bereits vor acht Jahren schrieben sich SPD und Linkspartei (damals PDS) in den Koalitionsvertrag, Polizisten »zur Förderung von Bürgernähe und Transparenz« eine »individualisierbare Kennung gut sichtbar an ihrer Uniform tragen« zu lassen. Polizeipräsident Dieter Glietsch gehört ebenfalls zu den Befürwortern. Die Kennzeichnung war bislang von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und den Personalräten verhindert worden. Sachliche Gründe sehe man nicht, es handele sich allein um ideologische Gründe, so die GdP.
Grünenpolitiker Benedikt Lux meint, man könne es nicht dem Zufall überlassen, ob amtliche Übergriffe geklärt werden können. Und Björn Jotzo (FDP): »Die individuelle Kennzeichnung ist in vielen europäischen Ländern die Regel, ohne dass ein Zuwachs an Übergriffen auf Polizeibeamte zu verzeichnen ist.« Hintergrund bilden immer wieder bekannt gewordene Vorfälle von Übergriffen einzelner Beamter oder Gruppen – vor allem bei und nach Demonstrationen –, nach denen ein Urteil oder disziplinarische Folgen ausblieben. Die Täter waren nach allgemeinem Eindruck wegen amtlicher Vermummung, also Helmen, Gesichtsschutz und dergleichen, nicht deutlich zu identifizieren, oder ein gewisser Korpsgeist verhinderte, den Fall zu entschlüsseln.
Immerhin soll es nach Schätzungen in jedem Jahr rund 1000 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt geben. Da dergleichen wohl ziemlich selten angezeigt wird, dürfte die Dunkelziffer ungleich hoch sein. Dass es überhaupt nur in einem Prozent der Fälle zu einer Anklage kommt, zeigt, dass hier ganz offensichtlich etwas im Argen liegt.
So steht die CDU mit ihrem Antrag allein auf weiter Flur. Wie LINKE-Landeschef Klaus Lederer immer wieder betont, sei es für das Selbstverständnis eines Polizisten gut, in der Stadt als Ansprechpartner wahrgenommen zu werden, nicht als anonyme Drohung. Auch aus dem sonst eher zurückhaltenden Hause des Datenschutzbeauftragten war zu hören, man hätte keine Einwände zu Klarnamen an den Uniformen. Auch hier gelte, dass sich Amtsträger nicht in die Anonymität flüchten dürften.
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