Grellbunte Beliebigkeit

Das Gestalterfestival Illustrative ist ein farbiger aber oberflächlicher Mix

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei aller sympathischen Lockerheit – mehr Qualität wäre der Illustrative zu wünschen
Bei aller sympathischen Lockerheit – mehr Qualität wäre der Illustrative zu wünschen

Barack Obama ist überall beliebt. Das elitäre Nobel-Preis-Komitee versieht ihn mit Vorschusslorbeeren und auch in der Untergrundszene der Zeichner, Gestalter und Comic-Künstler findet der US-Präsident einen Ehrenplatz. Eine komplette Wand ist seinem gepixelten Konterfei beim Grafik-Festival Illustrative in der Villa Eleisabeth und der Elisabeth-Kirche in Mitte gewidmet.

Der italienische Künstler Lorenzo Petrantoni hat mit übergroßem Selbstbewusstsein schwarze Kästchen, auf denen sein eigener Name in verschiedenen Variationen auftaucht, zu einem Obama-Bildnis arrangiert. Seit Petrantoni einen Dezember-Titel des US-Magazins »Newsweek« mit Obama gestaltet hat, scheint der Zeichner-Parasit von seinem medialen Wirtstier kaum zu trennen.

Abgesehen von dieser schwarz-weißen Riesenarbeit und einer düsteren Serie einsamer, an Ibsen-Figuren erinnernder Gestalten der Hamburger Zeichnerin Line Hoven ist diese Illustrative aber bunt. Grellbunt sogar. Schreiend bunt und so oberflächlich, als sei diese doch als Künstlermesse gepriesene Veranstaltung nicht mehr als ein Designshop, in dem im Oktanzahldelirium befindliche Autobesitzer die Abbildungen für ihre mit Air Brush verzierten Kühlerhauben auswählen sollten.

Der in Israel geborene Tomer Hanuka etwa lässt weibliche Guerillakämpferinnen mit Kippe und Knarre durch eine grünliche Sumpflandschaft waten und eine Hyäne ein Zebra reißen. Aya Kato aus Japan ist friedlicher gesinnt. Aber die spätromantischen Paradiese aus Bambusstäben, Gefieder und malerischen Laubgirlanden verdienen allenfalls das Attribut dekorativ. Ein Künstler mit dem Aliasnamen Skinner scheint sich zu lange in grusligen Fantasy-Welten aufgehalten haben; jedenfalls lässt seine martialische Monsterparade diesen Schluss zu.

Andere, interessantere und das Kommen lohnende Akzente setzen Sebastian Preschoux und die UdK-Absolventen Benjamin Maus und Julius von Bismarck. Preschoux hat ein ganzes Kabinett mit Fäden durchzogen, in das man sich begeben und dabei sowohl die Orientierung wie auch das Gefühl für die Schwerkraft verlieren kann. Preschoux setzt seine künstlichen Fadengebilde auch gern sehr effektvoll in der freien Natur ein.

Maus und Bismarck hingegen haben einen assoziativen Text-Bild-Apparat erfunden. Ihr »Perpetual Storytelling Apparatus« sucht aus beliebigen Texten einzelne Wörter heraus, gleicht diese mit dem Datenbankbestand des US-Patentamtes ab und zieht darauf Abbildungen hervor, die ein Plotter auf Papier druckt. Aparte Zeichnungen von Ballons und Zeppelinen, Panzern und Revolvern sowie Darstellungen menschlicher Körper werden vom gesteuerten Zeichenarm des Plotters ununterbrochen ausgestoßen. Eine schöne Visualisierung von Wissen.

In ihrem allgemeinen Eindruck passt sich die Illustrative leider aber dem stilistischen Mix des Veranstaltungsortes Villa Elisabeth an. Die Überreste von Jugendstil-Ranken an den Deckenbögen gehen unvermittelt in kahle quadratische Säulen über. Die klaren Elemente der hölzernen Kassettendecke blicken auf das abgeschabte und knarrende Parkett, auf dem banale Stellwände platziert sind. Eine stärker ordnende kuratorische Hand ist dem Zeichner-Festival fürs nächste Jahr zu wünschen, damit sie dann mehr ist als ein munteres Beisammensein junger Menschen aus aller Welt, die hier tapfer ein Künstlerdasein einüben. Die Atmosphäre dieser Illustrative ist sympathisch unkonventionell, ein Mehr an zeichnerischer Qualität täte ihr aber sichtlich gut.

Illustrative, bis 1.11., täglich 11-20 Uhr, Villa Elisabeth, weitere Inormationen im Internet unter www.illustrative.de

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