Immobilien-Betrug: Urteil des Bundesgerichtshofes lässt viele Fragen offen

  • Erste Hilfe für Immobilien-Käufer
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Der Bundesgerichtshof hat am 9. April ein wegweisendes Urteil für Immobilien-Käufer gefällt, die sich betrogen fühlen. Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, »dass das Widerrufsrecht des § 1 Abs. 1 Haustürwiderrufsgesetz auch Verbrauchern zusteht, die einen Realkreditvertrag im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes geschlossen haben, der zugleich die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts erfüllt«, heißt es in der Erklärung des Gerichts.
Worum geht es? Mit seinem Urteil hat der BGH die Rechte von Haus- und Wohnungseigentümern gestärkt, die einst den Kreditvertrag für ihre Immobilie quasi zwischen Tür und Angel abgeschlossen hatten. Wer in einer solchen Haustürsituation unterschrieb und nicht ordnungsgemäß über sein einwöchiges Widerrufsrecht belehrt worden war, kann seinen Vertrag nun unbefristet widerrufen, urteilte der BGH gegen die bayerische Hypo-Vereinsbank (Urteil XI ZR 91/99 vom 9. April 2002). Die Karlsruher Richter folgten damit einem wegweisenden Urteil des Europäische Gerichtshofes in Luxemburg (Rechtssache C-481/99).
Der Fall wird jetzt zunächst an das zuständige Oberlandesgericht München zurück überwiesen. Aber dieser Präzedenzfall könnte eine Lawine aus widerrufenen Kreditverträgen lostreten. Den Banken drohen Milliardenschäden, denn etwa 300 000 Bundesbürger mit kleinem oder mittlerem Einkommen sind Immobilienopfer, schätzt der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Ihnen allen wurden in Haustürsituationen überteuerte Eigentumswohnungen von windigen Geschäftsleuten angedreht, so genannte Erwerbermodelle, die fette Steuerersparnisse und prachtvolle Mieteinnahmen versprachen. Finanziert wurden solche dubiosen Erwerbermodelle von der bayerischen Hypo-Vereinsbank, von Großbanken, Kreditinstituten und Sparkassen - typischerweise durch einen Haustürkredit, der nun, laut BGH, jederzeit von den Opfern gekündigt werden kann.
Die Vorgeschichte begann 1993.
Im Konkreten hatten die Kläger, das Ehepaar Heininger, von der beklagten bayerischen Hypo-Vereinsbank verlangt, ihren so genannten Grundpfandkreditvertrag rückabzuwickeln. Diesen Kreditvertrag hatten Heiningers 1993 zur Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung abgeschlossen. Vor Gericht behaupten sie, ein auch für die beklagte Hypo-Vereinsbank tätiger Immobilienmakler habe sie mehrfach zu Hause aufgesucht und zum Wohnungskauf sowie zur Darlehensaufnahme überredet. Ihre Darlehensvertragserklärung haben sie deshalb nach §1 Abs. 1 Haustürwiderrufsgesetz widerrufen. Soweit die Begründung des Ehepaares Heininger.
Ihre Klage war in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben, weil die Vorschriften des deutschen Haustürwiderrufsgesetzes durch das Verbraucherkreditgesetz verdrängt wurden, was innerhalb der Europäischen Union anders ist. Der Bundesgerichtshof hatte sich darum mit diesem Fall an den Europäischen Gerichtshof gewendet, der im Dezember im Sinne des Ehepaares Heininger entschied. Der BGH setzte nun europäisches Recht in deutsches um.
Nur ein Pyrrhussieg für die Opfer?
Leider könnte das BGH-Urteil nur ein juristischer Pyrrhussieg sein, ein Scheinsieg, der den betrogenen Opfern letztlich nicht viel weiterhilft.
Der Grund für solche Skepsis ist die Tatsache, dass durch den gekündigten Kredit die minderwertige Immobilie noch nicht aus der Welt geschaffen ist. Möglicherweise können die Immobilien-Opfer nun ihre Kredite kündigen, bleiben aber an ihren minderwertigen Eigentumswohnungen hängen.
In ihrem Urteil weisen die höchsten Richter genau auf dieses Problem hin, ein Widerruf des Kreditvertrages führe »nicht ohne weiteres« zur Rückabwicklung des Kaufvertrages für die Immobilie, heißt es beim BGH.
Trotzdem sind Anwälte der Immobilienopfer optimistisch. Es sei auf jeden Fall zu begrüßen, dass der BGH Immobilienkredite nun auch dem Haustürschutz unterstellt. Bislang hatte das deutsche Verbraucherkreditgesetz Vorrang vor der europäischen Haustürwiderrufsrichtlinie, wodurch hiesige Bankkunden kein Kündigungsrecht hatten, die ihr Darlehen per Grundpfandrecht absichern, wie es bei Immobilienfinanzierungen üblich ist.
Diese neue Rechtsauffassung des BGH könnte eine Wende in der höchstrichterlichen Beurteilung zur Rolle der Banken bei dubiosen Immobiliengeschäften bedeuten, hoffen Rechtsanwälte.
Auch hinsichtlich der Rückabwicklung des eigentlichen Kaufs darf gehofft werden. Der BGH hat schon vor Jahren argumentiert, dass beim finanziellen Haustürgeschäft der Verbraucher nur sinnvoll geschützt wird, wenn er den Kredit nicht zurückzahlen muss - möglicherweise noch mit Zins und Zinseszins, wie es einige Kreditinstitute fordern. Stattdessen müsste die Bank sich an den seinerzeitigen Verkäufer der miserablen Immobilie halten oder sich mit der vom Darlehen gekauften Wohnung zufrieden geben.
Auf diese Brücke zwischen Kredit und Immobilie bauen verbrauchernahe Juristen. Wenn Kredit- und Kaufvertrag als »verbundenes Geschäft« eingestuft werden, muss die Bank dem Kunden alle geleisteten Zahlungen einschließlich Zinsen zurückzahlen und erhält im Gegenzug nur die minderwertige Wohnung.
Die geprellten Verbraucher wären in diesem Fall fein raus. Allerdings muss jeder Einzelfall richterlich überprüft werden. Angesichts der Überlastung der Gerichte dauert ein solcher Rechtsstreit jedoch jahrelang. Einige Anwälte wollen sich daher verstärkt um Vergleiche mit den Banken bemühen. Für solche außergerichtlichen Kompromisse bietet das BGH-Urteil erhebliche Rückenstärkung.
Die Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen hat einen Ratgeber »Erwerbermodelle - Rechtsfragen beim Kauf von Eigentumswohnungen und Immobilienbeteiligungen als Anlageobjekte« herausgegeben. Er kostet 7,67 Euro (plus 2 Euro Versand) und wird gegen Rechnung zugesandt (Mintropstraße 27, 40215 Düsseldorf oder im Internet: www.vz-nrw de.).
Viele Immobilienopfer haben sich lose organisiert. Kontakt über : Tel. (07044) 94 05 74. Informationen finden sich auf der Internetse...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.

- Anzeige -
- Anzeige -