Als Ausweg blieb nur ein Tabubruch

Gerhard Lauter über die entscheidenden Stunden vor der Öffnung der DDR-Grenze am 9. November 1989

Gerhard Lauter, Jahrgang 1950, war seit dem 1. Juli 1989 Hauptabteilungsleiter für Pass- und Meldewesen im Innenministerium der DDR. Als solcher war der Jurist federführend an der Ausarbeitung des am 6. November veröffentlichten neuen Reisegesetzes beteiligt. Heute arbeitet er als Rechtsanwalt in Leipzig. Mit Gerhard Lauter sprach ND-Mitarbeiter Dieter Janke.

ND: Sie bauten mit den neuen Reisebestimmungen jenen Sprengsatz, dessen offenkundig unkontrollierte Zündung am Abend des 9. Novembers 1989 weltweit zur Spitzenmeldung wurde. Wer erteilte den Auftrag dazu und wie lautete er?
Lauter: Ich erhielt ihn von meinem Chef, DDR-Innenminister Friedrich Dickel. Hintergrund war eine Sitzung des SED-Politbüros vom 7. November, die festgelegt hatte, den immer größer werdenden Druck durch die über die CSSR in die BRD flüchtenden DDR-Bürger aufzulösen. Das sollte durch die Regelung der ständigen Ausreise über Grenzübergangsstellen der DDR erfolgen, weil die Führung der CSSR gedroht hatte, ansonsten die Grenzen zur DDR dicht zu machen.

Wer nur besuchsweise zur Tante nach Köln oder zum Berliner Ku-Damm wollte, an den war nicht gedacht?
So war es. Der Auftrag war nicht konsequent. Ich schlug daher meinen drei Partnern in der Beratung am Vormittag des 9. November vor, wenn schon eine vorgezogene Regelung z...


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