Gedenkstätte der Wende-Euphorie

East Side Gallery nach Sanierung wieder komplett und in Farbe

  • Birgit v. Criegern
  • Lesedauer: 3 Min.
Gedenkstätte der Wende-Euphorie

Die »längste Open-Air-Galerie der Welt« zeigt sich wieder im neuen Glanz. Kurz vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls ist die Sanierung der East Side Gallery beendet. Das Festzelt an der Mühlenstraße war überfüllt, Medienvertreter drängten sich zur Einweihung durch die Künstlerinitiative East-Side-Gallery e. V. und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).

Der »Bruderkuss«, der Trabi, der die Mauer durchbricht oder der »Mauerspringer«: Mit ihren 105 Bildern ging die East Side Gallery zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof in die Geschichte ein als Gedenkstätte für die Euphorie nach der Wende. Die Künstlerinitiative mit Kani Alavi und Günther Schäfer im Vorstand hatte die Restaurierung erwirkt. Die 1,3 Kilometer lange Mauer wurde von grundauf saniert, der Beton behandelt und versiegelt.

Seit April dieses Jahres dann waren die Maler der ersten Stunde wieder da und erneuerten ihre Bilder. 118 Künstler hatten 1990 ihre Freude über den Fall des »Eisernen Vorhangs« auf dem Beton verewigt. 90 von ihnen malten ihre Bilder jetzt noch einmal, zusammengerufen von der Initiative, darunter César Olhagaray, Thierry Noir, Kim Prisu. »Nach 19 Jahren sah ich Berlin zum ersten Mal wieder – es war fröhlicher, unbeschwerter für mich«, so der Portugiese Kim Prisu. 1990 hätte er noch »den Druck, die Schwermut« auf der Stadt lasten gefühlt. Zwei Wochen dauerte die Überholung seines Gemäldes. Die turbulenten, lebensfrohen Elemente habe er neu entwickelt, etwa mit Schmetterlingsformen: »Nur kopieren – das kann ich nicht.«

Klaus Wowereit dankte den Mitgliedern der Künstlerinitiative, »dass sie diese Mauer nicht ihrem Schicksal überließen und aktive Arbeit zum Erhalt dieses Stücks Geschichte leisteten«. Der bemalte Mauerstreifen sei ein wichtiges Dokument für künftige Generationen. »Nach dem Mauerfall vor 20 Jahren waren wir die glücklichsten Menschen«, und daran solle diese Galerie erinnern. Er hob zudem ihre große Bedeutung für den Tourismus hervor: Für viele Besucher Berlins sei die East Side Gallery ein wichtiger Programmpunkt. Grund für ihren großen Erfolg seien auch die unterschiedlichen und internationalen Sichtweisen der Künstler auf den Mauerfall vor 20 Jahren.

Der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), erinnerte auch an die Angst und den Terror, den das Grenzsystem über die Menschen gebracht hat. »An diesem Ort waren viele Todesopfer zu beklagen.« Der Künstler Andy Weiss, der 1990 und nun erneut das Bild »Geistreise« gemalt hat, sagte: »Die Farbe nimmt der Mauer den Schrecken und macht sie dadurch erträglich.«

2,5 Millionen Euro Fördergeld hat die Initiative für die Überholung von Bund, Land und EU bekommen. Nicht an Spenden beteiligt hatte sich Anschutz-Gruppe, die die Eventhalle O2–World vor der Mauer betreibt. Ja, man habe auch dort um Unterstützung angefragt, aber vergebens, sagte Alavi. »Wir sind jedoch froh über den Info-Stand, den wir auf dem Areal errichten durften.« Froh sei man auch, dass nicht noch mehr Mauer herausgenommen wurde. Beim Bau der O2–Halle 2006 wurde ein Mauerstück entfernt und an anderer Stelle platziert – um die Sicht auf die Halle freizugeben. Alavi hat jetzt neue Pläne: »Wir wollen hier eine Begegnungsstätte errichten.«

Kurz vor Beginn der Feier drängten Demonstranten auf die Bühne und protestierten gegen steigende Mieten und Investoren-Politik. Sie wollen besonders die geplante Bebauung des Spree-Ufers verhindern. Zu Handgreiflichkeiten kam es, als Ordner alles wieder freiräumen wollten.

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