Teufel, Tito, Tvornica

Wie das heutige Kroatien versucht, sich eine Geschichte zu geben

  • Michael Müller, Zagreb
  • Lesedauer: ca. 6.0 Min.

Der Adria-Grenzstreit mit Slowenien, der den EU-Beitritt Kroatiens bisher blockierte, scheint geklärt zu sein. Nun verlangt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag von Kroatien noch die Garantie, auch auf dessen Dokumente aus dem Krieg 1991 bis 1995 zugreifen zu können. Doch Zagreb gibt sich, was jüngere, aber auch ältere Geschichte angeht, mal blau-, mal einäugig und mal blind.

Antikommunistischer Märtyrer: Skulptur des Seligen Kardinals Alojzije Stepinac in seinem Sarkophag in der Zagreber Kathedrale (oben)
Antikommunistischer Märtyrer: Skulptur des Seligen Kardinals Alojzije Stepinac in seinem Sarkophag in der Zagreber Kathedrale (oben)

Der silberschwere Sarkophag steht direkt im Chor der Zagreber Kathedrale, ist stets mit Blumen überhäuft und von dicht an dicht kniend Betenden umgeben. Das wächserne grabkünstlerische Antlitz des 1960 verblichenen Kardinals Alojzije Stepinac strahlt Ehrfurcht erweckende Güte aus. Johannes Paul II. hatte ihn 1998 selig gesprochen. Ein Märtyrer des Glaubens sei er gewesen, sagte der Papst. Nicht zuletzt in seiner Leidens-Haft nach 1945 in Jugoslawien. Warum er zu 16 Jahren verurteilt worden war (nach sechs Jahren wurde er in Hausarrest entlassen), spielte in der Rede keine Rolle.

Mit Gott und den Ustascha-Faschisten

Und es spielt auch heute in Kroatien kaum eine Rolle. Offiziell genießt die zu 90 Prozent katholische Bevölkerung eher die Tatsache, einen Seligen in ihrer Mitte liegen zu haben. Doch im weiteren Umfeld dieses Seligen liegen auch unzählige Leichen. Nach der Devise, dass nichts wichtiger sei als der Sieg über die Gottlosigkei...


Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.