Mit »Klage-Aktien« gegen Fluglärm

Bürgerverein prüft Gang vors Bundesverwaltungsgericht, will dafür aber nicht mehr allein zahlen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der Ausgabe von »Klage-Aktien« will der Bürgerverein Brandenburg-Berlin (BVBB) das Geld für eine Klage gegen die neuen Nachtflugregeln am künftigen Hauptstadtflughafen BBI zusammenbekommen. Der BVBB schätzt, dass ein erneuter Gang vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bis zu 300 000 Euro kosten könnte. Vor allem durch eine Sonderumlage der Mitglieder von jeweils 100 Euro hat der Verein jetzt etwa 200 000 Euro zur Verfügung. Aber nicht alle Mitglieder seien wirtschaftlich zu diesem Beitrag in der Lage, so gestern der BVBB-Ehrenvorsitzende Ferdi Breidbach. »Wir können unseren Mitgliedern auch nicht mehr zumuten, das Kostenrisiko allein zu tragen, während bei einem Erfolg davon 120 000 Menschen profitieren«. Die Klage gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss für BBI habe sie bereits 1,5 Millionen Euro gekostet. »Das war ein einmaliger Kraftakt«.

Der BVBB hat jetzt auch nur noch 3000 und nicht mehr 5000 Mitglieder wie noch 2006, als er nach Leipzig zog und dort die ursprüngliche Nachtflugregelung kippte. Die fehlenden Gelder will er jetzt über Spenden und eben den Verkauf von »Aktien« einnehmen, wobei letztere sich von Spenden dadurch unterscheiden, dass man sie sich »einrahmen und in die Küche hängen kann«, so BVBB-Vorstand Matthias Stefke. Vor allem fordert der BVBB aber, dass sich die vom Fluglärm betroffenen Gemeinden an der Finanzierung beteiligen, »denn die tragen für die Gesundheit ihrer Bürger die Verantwortung«, so Breidbach.

Viel Hoffnung auf derartigen Beistand kann er sich aber wohl nicht machen. In Mahlow-Blankenfelde, wo der BVBB sogar im Gemeindeparlament sitzt, wurde sein Antrag auf Kostenbeteiligung abgelehnt, weil der Einsatz von Haushaltsmitteln für die Rechtstreitigkeiten von Privatpersonen nicht möglich sei. »Jeder Angelverein wird aus der Kommunalkasse unterstützt, aber wir sollen keinen müden Euro bekommen«, empörte sich Breidbach. Etwas anders wird die Rechtslage offenbar in Gosen-Neuzelle gesehen, wo pro Einwohner zwei Euro an den BVBB überwiesen werden sollen.

Dass auch die Schutzgemeinschaft der Umlandgemeinden gegen die neue Nachtflugregelung klagen will, begrüßt der BVBB zwar, hält sie aber für weniger wirksam als Klagen von Privatpersonen. Die Gemeinden hätten eine »minderwertigere Rechtsposition«, sie könnten beispielsweise nicht auf Gesundheitsschutz der Bürger klagen.

Angesichts der Schwierigkeiten, denen sich sein Verein gegenübersieht, steht für Breidbach fest, dass es »null Interesse« an privaten Klagen gibt. Nicht gut zu sprechen ist er deshalb auch auf die Linkspartei, die zwar moralische Unterstützung gebe, aber davon habe der BVBB die Nase voll. »Die LINKE soll lieber ihren Leuten in den Gemeindevertretungen sagen, dass sie uns unterstützen sollen.«

Klagen will der BVBB nur, wenn bis Ende des Jahres »die Klagekosten abgesichert sind«. Vom erneuten Erfolg eines solchen Schritts ist man überzeugt. Hatte im ersten Verfahren das Gericht 117 Nachtflüge für rechtswidrig erklärt, sollen nun zwischen 22 und 6 Uhr 103 Flüge möglich sein, allerdings mit einem generellen Flugverbot zwischen Mitternacht und fünf Uhr. Besonders in den Sommermonaten ist mit Überflügen alle zwei bis drei Minuten zu rechen. »Das ist Folter«, zog Breidbach vom Leder, selbst in Guantanamo sei Nachtbeschallung verboten gewesen. Es werde eine Nachtflugregelung angestrebt, die es in diesen Ausmaßen an keinem anderen deutschen Großflughafen gebe. Das Land Brandenburg ignoriere damit die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach rein wirtschaftliche Interessen nicht ausreichten, um Nachtflüge zu rechtfertigen.

Doch der BVBB will juristisch nicht nur gegen Fluglärm vorgehen, sondern prüft auch Strafanzeigen gegen die Aufsichtratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft Klaus Wowereit und Matthias Platzeck wegen Untreue. »Wir befürchten, dass BBI auf ein finanzielles Desaster zusteuert, das den Steuerzahlern auf die Füße fallen wird«, so Breidbach. Munition dafür liefert ein neues Buch, in dem Autor Frank Welskop die BBI-Planungen mit dem Berliner Bankenskandal vergleicht. Hauptthese: BBI werde nie rentabel betrieben werden können, sondern immer auf Subventionen durch den Steuerzahler angewiesen sein.

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