Die letzten ihres Standes

Rolf Kühn im A-Trane

  • Hansdieter Grünfeld
  • Lesedauer: 2 Min.

Der heutige Auftritt Rolf Kühns im A-Trane spiegelt 55 Jahre deutsche und nordamerikanische Jazzgeschichte. 1929, im gleichen Jahr wie Chet Baker geboren, feierte der Klarinettist, Saxofonist, Bandleader, Arrangeur, Komponist und Dirigent am 29. September dieses Jahres den 80. Geburtstag. Ähnlich wie der Pianistin Jutta Hipp gelang es Kühn bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, durch sein Klarinettenspiel hohe Beachtung in den USA zu erlangen.

Anfänglich noch dem Swing, also Benny Goodman oder Artie Shaw verpflichtet, stand Kühn dank seiner ausgezeichneten Instrumentalausbildung bald in einer Reihe mit Buddy de Franco, der die Spielweise Charlie Parkers auf die Klarinette transponierte. 1957 bereits gehörte er als einziger Europäer zu den Down Beat New Stars auf der Produktion »Winner's Circle«. Schon damals geriet die Klarinette durch die lauteren Saxofone ins musikalische Hintertreffen. Obwohl auch als Saxofonist verpflichtet, blieb Kühn aber hiervon ungerührt seinem Hauptinstrument treu.

1961 verließ er die USA und begann in Deutschland ein Dirigentenstudium. Großartige Einspielungen, besonders auf den Labels Saba und MPS zusammen mit Albert Mangelsdorff oder seinem Bruder, dem Pianisten Joachim Kühn, folgten. Als Komponist und Dirigent auch im klassischen Bereich tätig geworden, übernahm er die musikalische Leitung des Theaters des Westens und arbeitete dort u.a. mit dem Weltstar Eartha Kitt zusammen. Zum »Dank« für diese Jazzabtrünnigkeit strichen Puristen wie Joachim Ernst Berendt, obwohl selbst jahrelang bei MPS als Produzent tätig, oder Günther Huesmann den Jazzmusiker Kühn aus ihren Diskografien.

Genau wie Perry Robinson, der schon erwähnte Buddy de Franco, Eddie Daniels oder Theo Jörgensmann, dem unabhängig von Kühn in den 80er Jahren eine Klarinetten-Renaissance im Jazz zu verdanken ist, gehört Rolf Kühn zu den letzten des Standes, die »den Stock mit den Löchern« (vgl. Bing Crosby/Louis Armstrong: »That's Jazz«) unverwechselbar persönlich zu spielen vermögen.

Bereits gestern kam die 1967 auf Impulse! eingespielte Kühn-Produktion »Impressions of New York« als CD wieder in den Musikhandel. Außerdem kündigte der Universal-Vertrieb im »Jazzecho« die Wiederauflage von Produktionen der Labels Saba, Brunswick und MPS an, von denen »Transfiguration« und »Swampfire« besonders hervorzuheben sind.

»Clarinet Bird« heißt ein Buch von Maxi Sickert, in dem Kühn aus seinem Leben erzählt, wichtige Lebensdaten kommentiert und das mit einer ausgezeichneten Diskografie aufwartet. Beim Konzert des Klarinettenvirtuosen heute Abend wird zwischen den Songs daraus gelesen.

Rolf Kühn und Tri-O, ab 22.15 Uhr, 18.11., A-Trane, Pestalozzi. Str.1, Charlottenburg

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