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»Rausch und Terror«

Bärendienst

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Michael »Bommi« Baumann hat zweifellos so einiges durchgemacht. Und diese wilde Geschichte eines Lebens voller Sucht, Gefahr und ferner Länder erzählt er gerne – wenn es sein muss mehrmals. So kann man große Teile von Baumanns aktuellem Buch »Rausch und Terror« durchaus als eine Zusammenfassung seines legendären »Wie alles anfing« von 1975 und dem romantisierenden Fluchtbericht »HiHo. Wer nicht weggeht, kommt nicht wieder« von 1987 beschreiben: Der gelernte Betonbauer Baumann streift als Jugendlicher durch die Westberliner Drogen- und Polit-Szene der 60er Jahre, erstes Haschisch und Heroin erreicht die Kommunen, Kurras schießt, der Verfassungsschutz liefert Molotow-Cocktails und Pistolen – Baumann erliegt beiden Versuchungen: der Sucht und der Militanz. Wobei er den »Bewaffneten Kampf« bald als den Spaltpilz der Bewegung erkannte, der er war.

Baumann setzt sich nach Asien ab – genervt von despotischen Egozentrikern wie Baader und Ensslin und geschockt vom Tode seines Freundes Georg von Rauch, der in seinem Beisein erschossen wird. Auf seiner jahrelangen Flucht schreibt er ein Buch, fordert im »Spiegel«-Interview »Freunde, schmeißt die Knarre weg« – und liefert der Stasi einen detaillierten Bericht der militanten Szene in Westberlin. Auf seinem Hippie-Trip durch Afghanistan, Indien und Iran verfällt er vollends den Giften, wird Zeuge der russischen Intervention am Hindukusch, driftet durch Europa, wo er 1981 in London verhaftet wird. Erst 1993 kommt er vom Heroin los.

Seelischer und körperlicher Verfall

In lockerer Szenesprache gehalten, sind diese Anekdoten aus der erschreckend naiven Anfangszeit der deutschen »Stadtguerilla« durchaus unterhaltsam. Angereichert sind sie hier noch mit unappetitlichen Beschreibungen körperlicher und seelischer Verfallserscheinungen – hinlänglich bekannt aus Junkie-Beichten von William S. Burroughs bis Christiane F.

Das letzte Drittel des Buches widmet sich der Gegenwart. Anhand der Beispiele Vietnam und Afghanistan entwickelt Baumann hier – formal unbeholfen zwar, darum aber nicht inhaltlich falsch – seine zentrale These: Drogen finanzieren Kriege, Kriege wiederum fördern durch süchtige Soldaten, erleichterte Schmuggelwege und politisches Chaos die Verbreitung von Drogen ungemein.

Die durch das Drogenverbot entstandene Schattenwirtschaft hat zudem laut Baumann ein Volumen von 500 Milliarden Dollar jährlich – Geldmengen, die jedes Polizeisystem korrumpieren können, die einen eigenen Bankensektor geschaffen haben und auf dem ganze (legale) Wirtschaftszweige beruhen. Geld, das also erheblich mehr Elend verursacht, als es Heroin selbst jemals könnte. Denn die Drogengewinne funktionieren laut Baumann wie eine gigantische Schwarze Kasse, aus der sich Geheimdienste, Despoten und Terroristen weltweit finanzieren, ohne diese Ausgaben irgendwo rechtfertigen zu müssen. Beim Aufteilen und den Kämpfen um diese Beute verschwimmen dann auch regelmäßig die Grenzen etwa zwischen CIA, Taliban und Opiumzaren.

Beipflichten muss man Baumann, dass der teure, erfolglose und heuchlerische »Krieg gegen die Drogen« einer geregelten Legalisierung aller Substanzen weichen muss. Die unwissenschaftliche und subjektive Form, in der er seine Thesen darlegt, erweist der Sache aber eher einen gut gemeinten Bärendienst.

Lesung: 24. November, 20 Uhr, Clash/Mehringhof, Mehringdamm 2; Buch: Bommi Baumann »Rausch und Terror – ein politischer Erlebnisbericht«, Rotbuch Verlag

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