Versicherungen in Serie – Teil 9 - Die gesetzliche Unfallversicherung reicht oft nicht aus

Assekuranz

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Unfallversicherungen sind vor allem für Versicherungsunternehmen gut. Das meinen jedenfalls viele Experten. Mit den Policen zur Absicherung bei bleibenden Unfallschäden verdienen die Unternehmen viel Geld. Dennoch: Auch für Versicherte macht eine Unfallpolice oft Sinn. Voraussetzung: Sie bietet faire Bedingungen und bringt im Falle eines Falles genug Geld, um bleibende Folgen eines Unfalls finanziell abzufangen.

Radeln macht Spaß, ist gesund und obendrein umweltfreundlich, aber das Velo hat auch seine Tücken. So sterben in Deutschland pro Jahr 500 Radfahrer im Straßenverkehr, und wie das Statistische Bundesamt meldet, werden an die 100.000 Radler teilweise schwer verletzt. Diese Zahlen zeigen aber gleichzeitig, wie wichtig eine gute Unfallversicherung sein kann.

Mit Hilfe der Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung sind im Notfall wichtige Anschaffungen, wie ein behindertengerechtes Auto oder ein Umbau der Wohnung, finanzierbar. Oder es wird von der Versicherung eine Rente an das Unfallopfer gezahlt, die ihm das Leben erleichtert.

Eine private Unfallversicherung ist vor allem für all jene ratsam, die keine private Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können oder – wegen der hohen Preise – keine abschließen wollen. Dazu gehören üblicherweise Erwerbstätige mit Vorerkrankungen oder Menschen, die in einem gefährlichen Beruf arbeiten, aber auch Kinder und Rentner. Der Rund-um-Versicherungsschutz besteht 24 Stunden am Tag, weltweit und auch während einer Radtour durch den nahegelegenen Wald.

Diese Absicherung ist unverzichtbar, meinen Verbraucherschützer. Andere Fachleute halten ein solches Sicherheitsdenken dagegen für übertrieben, nicht jedes Risiko im Leben müsse versicherungstechnisch ausgeschlossen werden. Zumindest für ihre Kinder sollten Eltern jedoch über einen Zusatzschutz nachdenken.

Die »Gesetzliche« hat ihre Grenzen

Die »Geetzliche« hat ihre Tücken. Sie zahlt allein für Unfälle während der Arbeit und auf dem Weg dorthin oder von dort zurück nach Hause – ohne Umwege.

Wer ist also gesetzlich unfallversichert? Arbeitnehmer und Auszubildende sind gesetzlich unfallversichert – unabhängig davon, wie hoch ihr Arbeitsentgelt ist. Dazu gehören auch Fahrgemeinschaften. Erwerbslose sind nur auf dem Weg zum Arbeitsamt und zurück geschützt oder wenn sie in einem 1-Euro-Job arbeiten. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt zudem Landwirte, Helfer bei Unglücksfällen, Zivil- und Katastrophenschutzhelfer sowie Blut- und Organspender. Geschützt werden auch alle Kinder, die Kindergärten und Kindertagesstätten besuchen, sowie Schüler und Studenten. Beamte unterliegen der Unfallfürsorge des Staates. Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler können sich und ihren mitarbeitenden Ehepartner freiwillig bei einer öffentlichen Kasse versichern.

In Ihrer Freizeit sind Sie allerdings alle unversichert! Abgesichert sind durch eine »Gesetzliche« jedoch auch die Folgen von Berufskrankheiten. Doch im Ernstfall springt sie nur bei größeren Schäden ein, und erst ab einer Invalidität von 20 Prozent zahlt sie Rente. Diese Grenze ist anderseits schon bei dem Verlust eines Daumens erreicht.

Hohe Versicherungssumme kann sich auszahlen

Die folgenden Zahlen weisen darum auf ein bedenkliches Sicherheitsloch in Deutschland hin. Von den über 80 Millionen Bundesbürgern werden nur etwa 30 Millionen Menschen von den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand geschützt. Grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert sind beispielsweise Hausfrauen, kleine Kinder (ohne Kindergartenplatz) sowie Rentner – und eben auch alle anderen Menschen in ihrer Freizeit.

Wer ein genügend hohes Einkommen bezieht, sollte also ernsthaft prüfen, ob sich eine private Unfallversicherung für ihn lohnt. Doch noch einmal: Wichtig ist diese Versicherungsart insbesondere für Menschen ohne private Berufsunfähigkeitsversicherung. Eine Unfallversicherung ersetzt nämlich im Falle einer Invalidität vor allem den Verlust der Arbeitskraft.

Die Versicherungssumme sollte mindestens 100.000 Euro betragen. Als Versicherungsleistung wird im Ernstfall immer ein bestimmter Prozentsatz dieser Summe ausgezahlt. Der Prozentsatz richtet sich nach dem Grad der Invalidität. Je höher also die Versicherungssumme, desto höher fällt nach einem Unfall die Leistung des Versicherers aus. Ausgezahlt wird die Summe in monatlichen Raten oder als Einmalzahlung.

Dabei muss eine Unfallversicherung nicht teuer sein. Die Absicherung für ein Kind kostet bei günstigen Anbietern weniger als 40 Euro Jahresbeitrag. Ein Vergleich der Preise und der Bedingungen von mehreren Versicherungsgesellschaften lohnt sich trotzdem auch bei dieser Versicherungsart. Private Unfallversicherungen werden nämlich im Baukastensystem angeboten. Das kann teuer werden, wenn Sie unnötige Bausteine kaufen. Wirklich wichtig ist allein der Baustein »Invalidität«.

Achten Sie auf das Kleingedruckte. Längst nicht jeder schlimme »Unfall« gilt in der Versicherungspraxis als »Unfall«! Beispielsweise besteht eine Unfallinvalidität nur, wenn durch ein plötzliches von außen auf den Körper wirkendes Ereignis dauerhaft eine Gesundheitsschädigung entsteht, heißt es in den Versicherungsbedingungen recht eindeutig. Das heißt in der Praxis: Unversichert sind die Folgen schädlicher Umwelteinflüsse oder ein Leistenbruch, wenn er durch das Heben schwerer Lasten passierte. Unversichert bleiben auch dauernde Schäden durch Krankheit. Für solche Fälle bieten einige Unternehmen eine zusätzliche Kinder-Invaliditätsversicherung an.

Was bringen die neuen Senioren-Policen?

Auf dem Markt sind mittlerweile auch spezielle Angebote für ältere Menschen. Solche Senioren-Unfallversicherungen sollen nach einem Unfall weitgehende Hilfen im Haushalt und bei der Pflege organisieren und bezahlen. »Stimmen die Hilfeleistungen, kann die Police für Senioren sinnvoll sein – vor allem für allein lebende«, meint das verbraucherorientierte Fachblatt »Finanztest«. Aber Vorsicht – hier gibt es viele schwarze Schafe. Versicherer bieten Senioren-Unfallpolicen in vielen Varianten an. Doch nicht jedes Angebot ist auch zweckmäßig – etwa, wenn der Anbieter nur Ansprechpartner vermittelt, statt die Hilfe im Haushalt und bei der Pflege wirklich zu organisieren und zu bezahlen. Folgende Hilfeleistungen sollte, laut Stiftung Warentest, eine gute Seniorenpolice mindestens bieten:

– Kostenübernahme: Der Versicherer gewährt und bezahlt alle Hilfeleistungen. Alternative: Er erstattet nachträglich die Kosten für Leistungen, die sich der Kunde selbst organisiert.

– Dauer: Der Versicherer gewährt und bezahlt alle Hilfeleistungen nach einem Unfall mindestens für sechs Monate.

– Menüservice, Einkäufe und notwendige Besorgungen: Der Verunglückte erhält täglich ein Menü. Zudem wird für ihn einmal wöchentlich mindestens zwei Stunden eingekauft. Die eingekauften Waren muss er selber bezahlen.

– Begleitung bei Arzt-, Therapie- und Behördengängen: Der Versicherte wird einmal wöchentlich zum Ziel in einem Umkreis von mindestens 25 Kilometern vom Aufenthaltsort begleitet.

– Reinigung der Wohnung und Wäscheservice: Es wird einmal wöchentlich zwei Stunden geputzt und zwei Stunden gewaschen, getrocknet und gebügelt.

– Notruf: Der Versicherer sollte die Installation des Notrufs bezahlen und die monatlichen Kosten tragen.

– Pflegeleistungen: Der Versicherte erhält täglich mindestens 45 Minuten Grundpflege entsprechend Pflegestufe I der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Darüber hinaus sollte ein Anbieter bestimmte Hilfen zumindest organisieren oder vermitteln. Dies gilt beispielsweise für die Unterbringung von Haustieren oder für eine Beratung über den Umbau der Wohnung oder des Autos. Auch sollte das Unternehmen Sie über die gesetzliche Pflegeversicherung beraten und den Betroffenen bei der Auswahl und Anschaffung von notwendigen Hilfsmitteln unterstützen.

Kapitalauszahlung besser als Rentenleistung

Wer ausschließlich auf solche Hilfeleistungen setzt, bekommt eine gute Police schon für unter 100 Euro im Jahr – etwa von der Arag, der Huk-Coburg Allgemeine, Signal Iduna oder VRK.

Wer allerdings auch für den Fall vorsorgen möchte, dass nach einem Unfall ein bleibender Schaden zurückbleibt, sollte eine Police mit Hilfeleistungen plus einer größeren Kapitalzahlung bei Invalidität wählen. Im Modellfall von »Finanztest« beträgt die Kapitalzahlung 50.000 Euro bei einer Invalidität von mindestens 50 Prozent. In diesem Fall liefern die günstigsten Angebote Arag, Huk-Coburg Allgemeine und die VRK.

Angebote mit Kapitalauszahlung sind sinnvoller als solche, die bei einem bleibenden Gesundheitsschaden eine Rente zahlen. Betroffene können dadurch im Notfall einen größeren Betrag sofort einsetzen, etwa für einen notwendigen Umbau der Wohnung. Den Rest des Geldes können Sie anlegen.

Und noch ein Grund, der für die Kapitalauszahlung spricht: Sollte jemand kurz nach einem Unfall sterben, kann er das Geld vererben. Das geht mit einer Rente nicht. Hinzu kommt: Fast alle Angebote mit Kapitalzahlung leisten anteilig bereits ab 1 Prozent Invalidität. Dagegen erhalten viele Senioren aus einer Unfallpolice mit Rentenleistungen überhaupt kein Geld. Für eine Rentenzahlung ist in der Regel eine Invalidität von 50 Prozent Voraussetzung. Wer da drunter liegt, bekommt nichts.

Leistungen gibt es nur nach einem Unfall

Grundsätzlich leisten auch Senioren-Unfallversicherungen – wie das Wort schon sagt – nur bei Hilfsbedürftigkeit nach einem Unfall. Wer durch eine Krankheit hilfsbedürftig wird, erhält selbstverständlich aus einer Unfall-Police nichts.

Einzelne Versicherer bieten jedoch zumindest bei einigen Erkrankungen Hilfe an – gegen einen höheren Beitrag, versteht sich. Viele Tarife helfen auch bei der Pflege einer weiteren Person. Dann kann der Versicherte auch nach einem Unfall sicher sein, dass ein ansonsten von ihm versorgter pflegebedürftiger Angehöriger weiterhin ausreichend betreut wird.

Weitere Informationen und Testergebnisse der Stiftung Warentest finden Sie im Internet unter www.test.de (geben Sie die Stichworte »Unfallversicherung« oder »Senioren-Unfallversicherung« ein).

www.unfallkassen.de

HERMANNUS PFEIFFER

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