Rennen bei »Derby Cycle« vorbei

Auffanggesellschaft für Fahrradwerk gegründet

  • Frank Schlößer, Groß Schwaß
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Rostocker Fahrrad-Montagewerk »Derby Cycle« ist geschlossen, die Betriebsbesetzung beendet. Damit sind 104 Arbeitsplätze in der Randregion von Rostock verschwunden.
Dennoch kann der ehemalige Betriebsrat Heiko Witt der Sache noch ein gute Seite abgewinne: »Das Minimum des Erreichbaren beim Rechtsstreit waren der Sozialplan und der Interessenausgleich. Wir haben aber auch noch eine Auffanggesellschaft durchsetzen können. Der neue Chef des Arbeitsamtes Rostock, Dieter Kwiatkowski, hat uns unterstützt, und der öffentliche Druck hat viel bewirkt.« Die Suche nach einem neuen Investor für das Werk geht angeblich weiter, das Wirtschaftsministerium des Landes und der Bund haben Aktivitäten signalisiert. Doch Heiko Witt hat Grund zum Pessimismus: »Die Belegschaft rechnet nicht damit. Auch ich sehe nicht, dass sich in der derzeitigen Wirtschaftslage ein seriöser Investor findet.« Die ersten Veranstaltungen eines praxisnahen Computerkurses und Bewerbungstraining haben die Beschäftigten von »Derby Cycle« bereits hinter sich, sie erhalten dabei für ein weiteres Jahr rund 80 Prozent ihrer Bezüge. Die »Arbeits-, Qualifizierungs- und Strukturförderungsgesellschaft« (AQS) ist ein Unternehmen, das ohne Gewinn arbeitet. Hier werden neue Wege beschritten: Schon zu Beginn der Kurse werden Bewerbungen angefertigt und auf den Weg geschickt. Wenn die Ablehnungen zurückkommen, werden sie gemeinsam ausgewertet. Der Ausstieg aus der Qualifizierung in einen neuen Arbeitsplatz ist jederzeit möglich, ebenso wie die Rückkehr in die Auffanggesellschaft, wenn eine Stelle angenommen wurde, die sich letztendlich als unseriöses Angebot entpuppte. Insofern, so Heiko Witt, sei die Aussicht auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt nicht aussichtslos, besonders für die Jüngeren, die noch in den Westen ziehen können. Für Heiko Witt waren diese Monate des Arbeitskampfes eine durchaus wertvolle Erfahrung: »Ich habe eine Gemeinschaft erlebt, die sich gegenseitig immer wieder aufrichtete. Wir hatten ein halbes Jahr Zeit, um uns an den Gedanken der Arbeitslosigkeit zu gewöhnen.« Irgendwann gewöhne man sich wirklich dran, vor allem, wenn sich im privaten Umkreis die Meinung breit mache, dass dieser Kampf nichts bringt, so Witt. Oder dass man zufrieden sein könne mit dem Arbeitslosengeld nach IG-Metall-Tarif. Ob dem ehemaligen Betriebsrat solche Erfahrungen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz helfen können? Heiko Witt lacht bitter: »Wohl eher nicht.«
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