Linkspolitiker soll wegen Wachregiments geradestehen

Neuer Vorwurf richtet sich gegen den Abgeordneten Luthardt / SPD spricht von »Hetzjagd« / Grüne: »Maßstab nicht verlieren«

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Potsdam (ND/dpa). Gegen die Landtagsfraktion der Linkspartei richtet sich ein neuer Stasi-Vorwurf. Die Berliner Birthler-Behörde hat am Mittwoch Akten herausgegeben, wonach der Abgeordnete Michael Egidius Luthardt Ende der 70er Jahre als Soldat im Stasi-Wachregiment »Feliks Dzierzynski« gedient hat. Das Wachregiment unterstand dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit.

Der stellvertretende Linksfraktionsvorsitzende Stefan Ludwig sagte, Luthardt habe keine Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter abgegeben und es sei bekannt gewesen, dass er in dem Wachregiment gedient habe. Luthardt soll das auch gesagt haben, als er in seinem Wahlkreis als Direktkandidat aufgestellt wurde. Erst nach seinem Einzug ins Parlament am 27. September trat er in die LINKE ein. Zuvor war er parteilos. Ludwig sagte: »Wenn er tatsächlich nach dem dreijährigen Dienst in dem Wachregiment nicht weiter gemacht hat, hat er sich aus unserer Sicht auch politisch, moralisch nichts vorwerfen zu lassen.«

In den Akten aus der Birthler-Behörde findet sich lediglich eine handschriftliche Verpflichtung, im Ministerium für Staatssicherheit als Soldat auf Zeit mindestens drei Jahre zu dienen. Diese Verpflichtung stammt vom 10. Mai 1978. Darin verpflichtet sich Luthardt, »die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen...« Eine Verpflichtungserklärung als IM oder Spitzelberichte gehören nicht zu den jetzt herausgegebenen Unterlagen der Birthler-Behörde.

Die CDU forderte prompt das Ende der rot-roten Regierung in Brandenburg. »Das Maß ist voll, das Bündnis muss beendet werden«, erklärte CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski. Ministerpräsident Matthias Platzeck und seine SPD »müssen endlich die Augen öffnen und einsehen, dass sie von der Linkspartei massiv getäuscht wurden«. Sollte auch nur ein Rest an Glaubwürdigkeit bleiben, müsste Platzeck die Koalition aufkündigen, meinte Dombrowski.

Die Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Marion Vogdt, sagte: »Wenn es nicht so makaber wäre, könnte man den Eindruck haben: Täglich öffnet die Linksfraktion ein neues Stasi-Türchen am 26-teiligen Adventskalender, heute das siebte Fenster.« Die Linksfraktion bleibe »verlogen«, behauptete Vogdt.

Dagegen warnte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Axel Vogel, »in der jetzigen aufgeheizten Stimmung den Maßstab zu verlieren«. Der Fall Michael Luthardts zeige die Dringlichkeit und die Notwendigkeit eines geordneten Überprüfungsverfahrens durch den Brandenburger Landtag. Die Informationen »reichen zu einer angemessenen Beurteilung nicht aus«, äußerte Vogel. Da Bewertungen zum Teil nicht auf vorhandenen Papieren, sondern auf Interpretationen des Fehlens von Unterlagen basieren, sei »eine seriöse Einschätzung momentan nicht möglich«.

Als »Hetzjagd«, die eine vernünftige Aufarbeitung nicht mehr möglich mache, hat die SPD-Fraktion die Vorwürfe gegen Luthardt bezeichnet. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Kralinski verwies auf Experten-Aussagen, wonach eine Mitgliedschaft im Wachregiment »Feliks Dzierzynski« nicht mit einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit gleichzusetzen und auch kein Hinderungsgrund für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst sei.

Michael Luthardt arbeitete vor seinem Einzug in den Landtag etliche Jahre als Referatsleiter für Waldökologie im Potsdamer Umweltministerium. Vorher war er im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin beschäftigt. Bei Naturschützern gilt er als fähiger und engagierter Spezialist.

  • Das Wachregiment »Feliks Dzierzynski« ist nach dem Gründer des sowjetrussischen Geheimdienstes Tscheka benannt. Diesen Namen erhielt es 1967.
  • Die Truppe wurde 1951 als »Wachbataillon A« gegründet und war zunächst dem Innenministerium unterstellt.
  • Später wurde das Regiment dem Ministerium für Staatssicherheit angegliedert.
  • Die Soldaten des Wachregiments bewachten Gebäude der SED und der Regierung, sicherten Staatsempfänge und standen am Mahnmal Neue Wache in Berlin.
  • Das Regiment zählte etwa 10 000 Mann.
  • Die Postanschrift des Wachregiments war die Rudower Chaussee in Berlin-Adlershof.
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