Das Unglück von außen

Noch bis Ende Januar soll überdimensionale Werbeplane vor einer Senioren-Residenz in Mitte hängen

  • Johannes Storks
  • Lesedauer: 3 Min.
Einfach weg
Einfach weg

Den Mietern und Bewohnern der Senioren-Residenz in der Rosenthaler Straße 43-45 ist die vorweihnachtliche Freude gründlich vergangen. Vor ihren Fenstern hängt seit Anfang November eine überdimensionale Werbeplane, die den Großteil des Tageslichts nimmt und den Blick nach außen unmöglich macht.

»Happiness comes from inside«. Schon von weitem lenkt der Werbespruch für eine Markenjeans den Blick der Besucher, die die Hackeschen Höfe verlassen oder aus der Oranienburger Straße kommen, auf einen halbnackten Jüngling. Sein Griff in den Hosenlatz macht deutlich, wie für ihn das »Glück von innen« aussehen könnte.

Die Bewohner und Mieter des Hauses Rosenthaler Str. 43-45 empfinden den Werbespruch sogar als zynisch und menschenverachtend: Denn hinter der bunten Plane, die vom ersten bis einschließlich fünften Stockwerk reicht, leben ältere, behinderte und schwerkranke Menschen. Viele können das Haus nicht mehr verlassen und müssen nun schon seit Anfang November ihr Dasein im Dunkeln fristen, die Werbeplane nimmt einen Großteil des Tageslichtes weg.

Anders nach Einbruch der Dunkelheit: Von 15 bis 21 Uhr wird die Werbefläche von unzähligen Strahlern angeleuchtet, und zwar von unten wie von oben. Dann ist es in den dahinter liegenden Räumen taghell.

Hintergrund der Werbeaktion war die Renovierung der Hausfassade. Die aber ist längst abgeschlossen, die eine Hälfte des Gerüstes wurde denn auch gleich nach Beendigung der Malerarbeiten wieder abmontiert. Nur jene Hälfte, an der die Werbeplane befestigt ist, steht noch immer – und soll bis Ende Januar auch bleiben.

Mieter und Bewohner der Senioren-Residenz wurden zwar über die geplanten Renovierungsarbeiten unterrichtet. Angekündigt worden war jedoch eine Folie, die nur zehn Prozent des Tageslichtes wegnehmen soll. Auch war nicht die Rede von einer dreimonatigen Dauer. Die betroffenen Mieter der Apartments und die Bewohner der darunter liegenden Pflegestationen sind wütend, haben aber zum Teil resigniert. Sie fühlen sich hintergangen und auch nicht ernst genommen. »Selbst an Weihnachten sollen wir noch hinter der Werbeplane sitzen.«

Mieter und Bewohner haben sich mit Briefen an den Bezirks-Baustadtrat, an die Bezirksfraktionen aller Parteien sowie an die Behindertenbeauftragte gewandt. Außer von der Behindertenbeauftragten Hildrun Knuth, die sich des Anliegens der Betroffenen sehr engagiert annimmt, gab es bislang noch keine Reaktionen. Der Betreiber der Residenz hat den betroffenen Mietern eine Mietminderung von 15 Prozent zugestanden.

Die Hausverwaltung kündigte an, dass die Plane »voraussichtlich Anfang Januar« entfernt werden soll. Damit geben sich die Mieter nicht zufrieden – sie wollen eine verbindliche Erklärung und die sofortige Entfernung der Werbeplane. Damit Glücklichsein auch wirklich wieder von innen kommt.

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