Gericht: CGZP ist nicht tariffähig

Senatorin Carola Bluhm: Urteil ist Meilenstein in der Tarifgeschichte

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 2 Min.

Wann ist eine Gewerkschaft eine Gewerkschaft? Über diese Frage musste gestern das Landesarbeitsgericht entscheiden. Es ging um den Fall der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP), die sich aus drei kleineren Gewerkschaftsverbänden zusammensetzt.

Am 1. April hatte das Berliner Arbeitsgericht als erste Instanz entschieden, dass die CGZP nicht tariffähig ist, weil es ihr an der erforderlichen Sozialmächtigkeit fehle. Das heißt, es fehle ihr an der Kraft, Tarifverträge zu erkämpfen und sie notfalls in Arbeitskämpfen durchzusetzen. Genaue Zahlen über Mitglieder existieren nicht, die Rede ist von 0,5 bis 1,5 Prozent der bundesweit zirka 750 000 Leiharbeiter. Gegen die Tariffähigkeit der CGZP waren unter anderem der DGB, ver.di und das Land Berlin vor Gericht gezogen. Ähnliche Urteile, die die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft anzweifeln, hatten auch schon Arbeitsgerichte in anderen Bundesländern getroffen. Und auch die zweite Berliner Instanz sprach gestern der Tarifgemeinschaft die Tarifmächtigkeit und damit die Existenzberechtigung ab.

In Vergangenheit war die CGZP weniger durch Arbeitskämpfe als durch die Bereitschaft aufgefallen, so genannte Gefälligkeitstarifverträge abzuschließen, die mehr dem Unternehmern von Nutzen waren und nicht so sehr den Arbeitern und Angestellten. Den in der CGZP vertretenen Organisationen wird vorgeworfen, das Lohnniveau für Leiharbeiter mit eigenen Billigverträgen zugunsten der Unternehmerseite nach unten gedrückt zu haben.

Eigentlich gilt für Leiharbeiter der Grundsatz, dass sie in gleicher Weise bei Lohn, Urlaub und Arbeitszeit behandelt werden müssen, wie die Stammbelegschaft des eines Unternehmens. Mit Hilfe von CGZP-Tarifverträgen konnte dieses Prinzip unterlaufen und von der Regel innerhalb der ersten vier Monate abgewichen werden. Die meisten Leiharbeiter kommen im Schnitt nur auf drei Monate Arbeit im Einsatzbetrieb, was einem ständigen Lohndumping durch die Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften gleichkommt.

Sozialsenatorin Carola Bluhm (LINKE) begrüßte die Entscheidung des Landesarbeitsgericht als »Meilenstein in der Tarifgeschichte«. Wenn das Urteil rechtskräftig werde, betonte Bluhm, so würde das Konsequenzen für mindestens 200 000 Beschäftigte in Leiharbeit haben, die dann rückwirkend Ansprüche auf entgangene Löhne geltend machen können.

Die deutsche Gewerkschaftsbewegung gleicht einem gigantischen Flickenteppich. Auf dem Gewerkschaftsmarkt tummeln sich die unterschiedlichsten Interessenvertretungen, die für sich das Recht beanspruchen, für Arbeitende Tarifverträge abschließen zu dürfen. Bei fortschreitendem Mitgliederschwund der etablierten Gewerkschaftsverbände wird unter der Oberfläche eine regelrechte Schlacht um jedes Mitglied geführt. CGZP-Vertreter im Gerichtsaal zitierten dann auch DGB-Aussagen, wonach mit dem Prozess die »Schmutzkonkurrenz ausgeschaltet« werden solle. Jetzt wird erwartet, dass die CGZP vor das Bundesarbeitsgericht zieht.

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