Scheinheilige feiern Sankt Barbara

Vattenfall erhält für die Erprobung der umstrittenen CCS-Technologie Fördermittel aus Brüssel

  • Klaus Muche
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist Adventszeit und Reinhardt Hassa, Vorstand des Energiekonzerns Vattenfall, sagt: »Wir machen den Strom sauber.« Der neue Slogan passt zum Klimarummel, den ohnehin nur jene wirklich ernst nehmen, denen das Meerwasser bald bis zum Hals stehen wird, oder die mit den steigenden Temperaturen hofften, dass die Tagebaue sie nicht mehr in den Abgrund reißen werden.

Wenigstens eine Gefahr ist vorerst gebannt. Statt eines Ausstiegs aus der Kohle gibt es Kosmetik vom Feinsten. Dem Gubener Pestalozzi-Gymnasium legt Vattenfall eine 30-Kilowatt-Fotovoltaikanlage aufs Dach und im Vorfeld des Tagebaus, der sich unbeirrbar auf Guben zubewegt, sollen sich bald 25 Windräder drehen – vor der Nase der Bewohner von Grabko, Atterwasch und Kerkwitz, die demnächst auf Nimmerwiedersehen ihre Koffer packen müssen.

Dabei war es die Idee des letzten Hornoers. Werner Dommain wollte überall dort Windräder haben, wo Kohle gefördert werden sollte. Wind statt Kohle, um bitte in Horno wohnen bleiben zu dürfen. Vattenfall greift den Gedanken gerne auf und zeigt, dass beides geht. Erst Windräder, dann der Kohlebagger. Auch im Gebiet des Tagebaues Welzow sollen sich deshalb bald Windräder drehen. In den 90ern hatte die Kohlelobby ein Windfeld nahe Spremberg erfolgreich verhindert. Jetzt betreibt sie damit Naturkosmetik, auch mit dem Weinberg mitten in der rekultivierten Kohlewüste. Auf dem Wolkenberg, dessen gleichnamiges Dorf längst weggefräst wurde, sollen im nächsten Jahr 25 000 Reben gepflanzt werden. Extra dafür wurde die Lausitz jüngst zum Weinbaugebiet erklärt, trotz massiver Rebstockrodungen in anderen Teilen Europas.

Das Kerngeschäft Vattenfalls in Deutschland wird aber Strom aus Kohle und Kernspaltung bleiben. Durch die Umrüstung der Kraftwerke zum Laufzeitende will der Konzern etwa ab 2050 seinen Strom CO2-frei produzieren. Das wird auf der Klimakonferenz gut ankommen, bei Investoren und Technikfreaks sowieso, aber nicht bei allen Lausitzern. Zum Ärger mit den renitenten Bürgern von Grabko, Atterwasch und Kerkwitz kommt der Frust in Beeskow. Dort hatte sich die LINKE auf die Seite derer gestellt, die Furcht vor einer unterirdischen Lagerstätte für das bei der Braunkohleverstromung abgeschiedene Kohlendioxid haben.

Das war vor der Wahl. Danach gibt es noch immer viele Sozialisten, die das tun. Aber zum Wirtschaftsminister ist der Linkspartei-Politiker Ralf Christoffers gekürt, der dieser Technologie etwas abgewinnen kann. Nun liegt es an ihm, die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen. Denn ausgerechnet unter der Beeskower Idylle will Vattenfall das abgeschiedene Klimagas endlagern. Wahlweise auch unter Neutrebbin, dort also, wo alle hundert Jahre die Oder die Gegend flutet. Für die betroffenen Bürger ist das alles andere als eine saubere Lösung. Für Reinhard Hassa ist die Lage dagegen überschaubar. Auf die CO2-Speicherung kann nicht verzichtet werden, weil der Kohlestrom zum Hauptgeschäftsfeld gehört. Und weil es für Vattenfall ein Zukunftsprojekt ist, hat sich die Politik um die Ruhigstellung der Bürger zu kümmern. »Es ist die Aufgabe der politisch Verantwortlichen, damit umzugehen.« Zudem müsse die Bundesregierung handeln und endlich die Richtlinien des EU-Parlaments über die geologische Speicherung von Kohlendioxid »in nationales Recht umwandeln«.

»Nur so,« sagt Hassa in der vergangenen Woche vor der traditionellen Barbarafeier zu Journalisten, »bekommen wir die Zuschüsse aus Brüssel«. Denn so ganz auf eigenes Risiko will Vattenfall nicht experimentieren. Bis zu zehn Milliarden Euro verteilt Brüssel zur Erprobung der CCS-Technik, da will sich der Energieriese seinen Teil sichern.

Vorgestern dann die Bestätigung aus Brüssel. Vattenfall erhält für das geplante CCS-Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde 180 Millionen Euro von der EU. Die gesamten Kosten schätzt der Konzern auf 1,5 Milliarden Euro. »Ich freue mich über diese Entscheidung«, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Die Stromerzeugung aus Braunkohle sei noch so lange nötig, bis der Energiebedarf »sicher und zu wettbewerbsfähigen Preisen« aus erneuerbaren Energien gedeckt werden könne. Die weitere Erprobung und Demonstration der CCS-Technologie sei eine »wichtige Option«. Wirtschaftsminister Christoffers sprach von einem »guten Signal aus Brüssel«. Die Förderung trage dazu bei, Brandenburg als »Vorreiter« bei den modernen Energietechnologien zu stärken.

Indes hat die Länderkammer das vorschnell zusammengeschusterte Gesetz zu Fall gebracht. Die Risiken sind unwägbar; ein Gutachten bemängelte trocken, »die Unmöglichkeit, die Ablagerungsstätte in Augenschein zu nehmen«, woraus sich »zwangsläufig ein bleibendes Risiko bei der Ablagerung von CO2« ergebe.

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