Versuchung auf dem Emailleschild

Werbung für Süßigkeiten – in einer aktuellen Ausstellung im Heimatmuseum Reinickendorf

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
In jedem Fach Verlockungen verschiedener Art.
In jedem Fach Verlockungen verschiedener Art.

Blondgelockte Mädchen lächeln, Hausfrauen präsentieren elegant einen frisch gebackenen Kuchen, treue Hundeaugen leuchten und eine Familie trinkt genüsslich Kakao. Szenen, wie sie seit Jahrhunderten in der Werbung vorkommen. Mit einer kleinen Ausstellung erinnert das Heimatmuseum Reinickendorf jetzt an die Verlockungen der Reklame seit dem frühen 20. Jahrhundert.

»Vom Sarotti Mohr bis zur Hustenkaramelle – Süße Versuchungen in der Werbung« heißt die weihnachtliche Schau. Mehr als 200 große und kleine Objekte sind zu sehen: Emailleschilder aus den 1920er Jahren, farbig bedruckte Papierplakate oder ausgeschnittene Figuren. Ein kleiner Schornsteinfeger aus stabilem Material säubert beispielsweise eine Esse. Darüber steht geschrieben: »Befreienden Durchzug«. Die Verbraucher sollten damit auf besonders starke Hustenbonbons aufmerksam gemacht werden.

Gleich daneben werben Familien am Frühstückstisch für Malzkaffee oder das »Volksgetränk Herbaria«, was damals eine Art Sparkakao war. In den Vitrinen liegen Schokoladen, einige sogar im Eisenbahndesign. Es gibt viele Metalldosen zu sehen, sehr bunt, reichlich verziert und mit Goldrändern geprägt. Pfefferkuchen, Bonbons, Kekse, Kakao oder Puddingpulver wurden so verpackt. Firmen, die es auch heutzutage noch gibt, kann der Besucher entdecken. Leibnitz, Dr. Oetker, Vivil, Trumpf und Bärenmarke gehören dazu.

Mittenmang, in einer offenen Vitrine, sitzen und stehen gleich acht Sarotti Mohre. Sie sind unterschiedlich groß, aber deuten alle mit ihrem Zeigefinger nach oben. Außerdem gibt es jede Menge Plakate, auf denen der Mohr mit Turban und weiter Hose, ähnlich dem kleinen Muck, neben dem Weihnachtsmann steht. Auf anderen Plakaten nascht ein Engel eine Praline, trinkt ein Schneemann Kakao oder schwingen zwei sehr dicke Köche den Holzlöffel. Sofort klar wird dem Ausstellungsbesucher die einst propagierte Rollenverteilung: Geht es um Backpulver oder Pudding steht die brave Hausfrau im Mittelpunkt.

Zusammen getragen hat die aussagekräftigen Objekte Gerhard Pretzl aus Bayern. »Nur ein Teil seiner riesigen Sammlung – Stücke von 1890 bis in die 1950er Jahre aus Deutschland und Europa – zeigen wir«, sagt Praktikantin Nicole Posselt.

Auf einer Tafel ist nachzulesen, dass schon ab 1870 erste Markenartikel wie Maggi, Dr. Oetker oder Nivea versuchten, sich von anderen Produzenten abzuheben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Reklame zunehmend professioneller. Julius Maggi nutzte beispielsweise als einer der ersten emaillierte Schilder aus Stahl, um damit seine Produkte international bekannt zu machen. Vor allem in den 1950er Jahren waren diese Schilder verbreitet. Doch die Geburtsstunde des europäischen Marketing schlug schon etwas früher: Als nämlich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Dr. Oetker das Backpulver einführte und die erste Markenstrategie in Deutschland umsetzte.

Heimatmuseum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35, bis zum 31. Januar 2010; montags von 9 bis 13.30 Uhr, dienstags bis freitags und sonntags von 9 bis 16 Uhr. Eintritt frei.

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