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Das Eiserne Kreuz von »Hitlersee«
Unseliger Streit in der Wojewodschaft Opole
In der kleinsten polnischen Wojewodschaft, der schlesischen Region von Opole, die als »Muster zwischenethnischer Kultur« gilt, hat sich unter den etwa eine Million Einwohnern ein seit gut zehn Jahren währender Streit zugespitzt.
Es geht nicht nur um das »Eiserne Kreuz« an deutschen Denkmälern für Gefallene des Ersten Weltkrieges, in die auch die Namen »unserer Helden« aus Weltkrieg II eingemeißelt wurden, sondern auch um die »historischen«, 1938 bei der »restlosen Tilgung slawischer Reste« neu verordneten Ortsbezeichnungen. Das zur Zeit markanteste Beispiel heißt Hitlersee - das seit Jahrhunderten als Szczedrzyk bekannt war. Für jene Bürger des »Oppelner Ländchens«, die sich nach dem »Einzug von Demokratie und Freiheit« 1989/90 als deutsche Minderheit in Polen etablieren und in Deutschen Freundeskreisen (DFK) und Deutsch-Sozial-Kulturellen Gesellschaften (DSKG) organisieren konnten, ist es - wie der dreimalige Sejm-Abgeordnete Heinrich Kroll betonte - »völlig unverständlich«, warum abermals ein Krach um »historische Tatsachen« ausgebrochen ist. Als geschichtliche Gegebenheiten gelten in den Köpfen der, wie es heißt, »Oppelner Deutschen« sowohl der Ortsname Hitlersee als auch das Eiserne Kreuz als Auszeichnung für soldatische Heldentaten. Die Ersetzung der für Deutsche unaussprechbaren polnischen Ortsbezeichnung durch einen neuen Namen sei ganz logisch gewesen, denn durch die großen Bauarbeiten in den 30er Jahren sei nicht nur ein modernes Autobahnnetz entstanden, auch der Fluss Male Pane wurde reguliert und ein großer Stausee - eben der Hitlersee - entstand. Mit dieser Logik der »Neu-Deutschschlesier« sind jedoch weder die sich zum Polentum bekennenden Schlesier noch die nach 1945 aus dem Osten zugezogenen »Neuschlesier« (jeweils etwa ein Drittel der Einwohnerschaft der Wojewodschaft) einverstanden. Zumal die Wojewodschaftsbehörden Anfang der 90er Jahre mit Vertretern der deutschen Minderheit vereinbart hatten, auf den wiederaufgestellten oder neugebauten Kriegerdenkmälern das Wort »Helden« durch »Opfer« des Ersten und Zweiten Weltkrieges zu ersetzen. Und jede für Polen unerträgliche Symbolik (Eiserne Kreuze, Stahlhelme und gekreuzte Bajonette) sollte entfernt werden. Nach der 1995 vom »Rat zur Ehrung des Kampfes und des Leidens« erlassenen Bestimmung darf die Symbolik keinesfalls das Empfinden anderer Bürger reizen. Gerade dies ist aber der Fall. Vertreter der deutschen Minderheit, darunter der ehemalige Senator Prof. Ger- hard Borodziej, wollen dies allerdings nicht hinnehmen. Borodziejs Meinung nach ist diese Symbolik nur in der »manipulierten antideutschen Haltung« feindlich. Sogar von Nichtbeachtung von Minderheitenrechten ist in deutschen Kreisen die Rede. Frau Prof. Dorota Simonides, Senatorin aus Opole, hält dem entgegen, dass angesichts von 28 deutschen Bürgermeistern (jeder dritte in der Region) und einer Überrepräsentation im Sejm der Wojewodschaft, wo der Vizemarschall ein Deutscher ist, von einer Missachtung der Minderheitenrechte nicht die Rede sein kann. Oder werden die Mitglieder der Minderheit etwa von ihren eigenen Vertretern benachteiligt oder gar verfolgt? Sicher ist eines: Die unterschiedliche Rezeption der historischen Ereignisse - und mit deren Folgen haben wir es zu tun - kann bestimmt nicht im Streit überwunden werden. Abgesehen von »Hitlersee«, was auch in Deutschland völlig indiskutabel wäre, gibt es Streitpunkte, die sich einfach daraus ergeben, dass bei den »Helden« und deren Opfern der Spruch »Gott mit uns«, der Stahlhelm und das Eiserne Kreuz sehr unterschiedliche Assoziationen hervorrufen - und zwar nicht nur auf Grund der jüngeren Geschichte. Auch was den Deutschen der Freiheitskampf gegen die Franzosen bedeutete (gerade damals wurde 1807 in Breslau das Eiserne Kreuz gestiftet), hatte für die an der Seite Napoleons um ihre eigene Freiheit kämpfenden Polen eine völlig andere Dimension - von der Tragödie des zweiten Weltkrieges ganz zu schweigen. Recht hat die ehemalige Beraterin des Wojewoden Dr. Danuta Berlinska vom Schlesischen Institut in Opole: Die wichtige Diskussion um die Rolle der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, die in Deutschland stattgefunden hat und weiter stattfindet, ist an den Mitgliedern der deutschen Minderheit in der Wojewodschaft Opole völlig vorbeigegangen. Da herrscht eine auch von außen geschürte falsche Romantik...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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