Yankee-Dollars für Putschisten

Venezuela, die USA und die Erinnerung an den Militärputsch in Chile

  • Horst Schäfer
  • Lesedauer: ca. 6.5 Min.

Der Putschversuch gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez erinnert an den Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973. Welche Rolle spielte die USA in Venezuela konkret?

Luis E. Hestres aus Washington war empört. In einem in der »New York Times« veröffentlichten Leserbrief zum Militärputsch in Venezuela schrieb er: »Wir erinnern uns an Amerikas Unterstützung für Pinochet in Chile, für Somoza in Nikaragua und Trujillo in der Dominikanischen Republik«. Venezuela sei nur der jüngste Beweis für die »Heuchelei« der USA-Außenpolitik - nirgends würden die USA die Demokratie verteidigen, wenn das ihren Interessen zuwiderlaufe.
Seit »Newsweek« Anfang letzter Woche berichtet hatte, dass sich hohe USA-Regierungsvertreter mit den Putschisten trafen, kommen täglich neue Einzelheiten über das Ausmaß der Mitwisser- und Mittäterschaft der Bush-Regierung bei der versuchten Beseitigung der rechtmäßig gewählten Regierung Venezuelas ans Licht. USA-Regierungssprecher haben laut »Los Angeles Times« vom 17. April eingestanden, dass die USA »die Beseitigung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez seit Monaten mit militärischen und zivilen Führern von Venezuela diskutiert haben«. Die Treffen hätten im Weißen Haus, im Außenministerium, im Pentagon und in »USA-Einrichtungen in Venezuela« stattgefunden.
Prominentester Gesprächspartner der USA war der Vorsitzende des Unternehmerverbandes von Venezuela, Pedro Carmona. Carmona hatte sich von den putschenden Militärs zum neuen Staatschef ausrufen lassen und als erste Maßnahme seiner knapp 28-stündigen Amtszeit Parlament und Oberstes Gericht aufgelöst. Unmittelbar zuvor konferierte er mit dem neuen USA-Botschafter in Caracas, Charles Shapiro. Natürlich sollte Shapiro im Auftrag der USA-Regierung nur sicherstellen, so wird jetzt behauptet, dass der Putschist »nicht gegen die Verfassung Venezuelas verstößt«!

Der irre Duft von frischem Erdöl...
Schon im November war Carmona mit einer Delegation von sechs führenden Unternehmern in Washington empfangen worden, allerdings nicht vom Handelsminister, was angesichts der Zusammensetzung der Delegation nahe gelegen hätte, sondern von John Maisto, Mitarbeiter von Präsident Bush für »nationale Sicherheit für Lateinamerika«, von Energieminister Spencer Abraham (»Dieser Putsch riecht nach Erdöl«, hatte die argentinische Zeitung »Pagina 12« geschrieben) und dem stellvertretenden Außenminister für die Westliche Hemisphäre, Botschafter Otto Juan Reich.
Otto J. Reich? Sein Name tauchte Ende der 80er Jahre immer wieder bei den Untersuchungen des USA-Kongresses über die geheime Unterstützung der Contra-Rebellen in Nikaragua durch die Reagan-Regierung auf. Mit CIA und militärischem Geheimdienst hatte er von einem Büro im Außenministerium die psychologische Kriegführung für die Contras geleitet. Für seine Beteiligung am Contra-Skandal wurde er nicht etwa angeklagt, sondern mit dem Botschafterposten in Venezuela belohnt (1986-89). Danach war er USA-Vertreter in der UN-Menschenrechtskommission in Genf und später Lobbyist für Mobil Oil - natürlich mit großen Interessen in Venezuela. Gegen den Widerstand zahlreicher Senatoren setzte Präsident Busch Anfang 2002 die Ernennung Reichs als stellvertretender Außenminister für Lateinamerika durch.
Auch Venezuelas Putschistengeneral und Generalstabschef Lucas Romero Rincón traf sich bereits im Dezember mit einem hohen Vertreter des Pentagon, Roger Pardo-Maurer. Pardo-Maurer hat - wie Reich - schon einschlägige Erfahrung bei der Unterstützung von Staatsstreichen: Laut »New York Times« diente er drei Jahre (1986-89) dem Vertreter der Contras bei der USA-Regierung als »Stabschef«. Vizeadmiral Carlos Molina und Luftwaffen-Oberst Pedro Santo, die ebenfalls zu den Putschisten gehörten, verhandelten in den letzten Wochen in Caracas gleichfalls mit USA-Vertretern. Wie die »Washington Post« am Donnerstag unter Berufung auf einen USA-Diplomaten berichtete, wurden an Molina und Sota für ihre Aktivitäten je 100000 Dollar aus den USA überwiesen. Zeitweilig nahmen die Kontakte zwischen USA-Botschaft und den Putschisten so überhand, dass selbst Botschafterin Dona Hrinak im November 2001 den Militärattaché anwies, seine Treffen mit den venezolanischen Offizieren zu beenden.

Diktatoren-Schmiede Fort Benning
Natürlich haben auch die Militärs in Venezuela - wie viele lateinamerikanische Militärs - immer enge Verbindungen zu den USA gehabt und sind zum Teil sogar dort ausgebildet worden. Erst Hugo Chávez hat 1998 die Kontakte Venezuelas auf militärischer Ebene zu den USA eingeschränkt. Chávez, selbst ein Militär, wusste wohl, welche Ziele die USA mit dieser Ausbildung verbanden, die zumeist an der berüchtigten »School of the Americas« (SOA) der USA-Armee in Fort Benning (Georgia) stattfand. Zwei Hauptstützen der Putsch-
regierung in Caracas, Armee-Chef Efraín Vásquez und General Ramírez Poveda, wurden auf der SOA trainiert, berichtete die in Washington ansässige kritische Beobachtergruppe »SOA Watch« in einer am 12. April 2002 veröffentlichten Erklärung. Darin verwies der frühere Kongressabgeordnete Joseph Kennedy darauf, dass an der SOA mehr Diktatoren graduierten, »als an allen anderen Schulen der Welt«. Allein elf lateinamerikanische Diktatoren hätten ihr Handwerk in Fort Benning erlernt, darunter Hugo Banzer Suarez (Bolivien), Guillermo Rodriguez (Ekuador) und Manuel Noriega (Panama).
Die USA-Regierung - glaubt man den gewundenen Erklärungen aus dem Weißen Haus, Pentagon und Außenministerium - hat selbstverständlich bei ihren Kontakten mit den Putschisten erstens keinerlei Informationen über den bevorstehenden Putsch erhalten, zweitens - obwohl sie die Pläne angeblich gar nicht kannte - nur eine Machtübernahme mit undemokratischen Mitteln verhindern wollen und, drittens, sich nicht an den Putschvorbereitungen beteiligt. Wegen der schnellen und begeisterten Zustimmung aus Washington zum Machtwechsel (»Chávez bekam, was er verdient!«) ist das alles nicht sehr überzeugend. Interessant in diesem Zusammenhang auch die Mitteilung der USA-Armee (»USA-Southern Command«), dass am Freitag, dem ersten Putschtag, 24 »Ausbilder« nach Venezuela fliegen sollten, deren Reise dann aber zuerst verschoben und am Sonntag - nach der Konter-Konter-Revolution - »vorerst« abgesagt wurde.

Aus dem Lehrbuch des Staatsterrorismus
Angesichts der vorliegenden Tatsachen liegt es nahe, dass sich der eingangs zitierte Briefschreiber an Chile und andere von den USA unterstützte Militärputsche in Lateinamerika erinnert. 1975 hatte ein Senatsausschuss zum ersten und bisher einzigen Mal die Interventions- und Mordpolitik der CIA und anderer USA-Regierungsorgane genau untersucht und war zu bestürzenden Ergebnissen gekommen. So gab Präsident Nixon der CIA noch vor der Wahl Allendes 1970 den Auftrag: »Chile retten - 10 Millionen Dollar zur Verfügung, wenn nötig mehr - die Wirtschaft aufschreien lassen!...«. Für die Bestechung chilenischer Abgeordneter sowie für »propagandistische und wirtschaftliche Störmaßnahmen« wurden 250000 Dollar bereitgestellt. Da sich der oberste Militär Chiles, General René Schneider, den USA-Umsturzplänen verweigerte, wurde er mit Hilfe der CIA umgebracht - seine Familie hat gegen den damaligen Außenminister Henry Kissinger, der maßgeblich an den Umsturzvorbereitungen beteiligt war, kürzlich Strafantrag gestellt. Auch damals wurden Generäle mit hohen Dollarsummen bestochen.
Das Drei-Punkte-Programm, mit dem 1970 der Putsch gegen Allende vorbereitet wurde, gehört in jedes Lehrbuch über Staatsterrorismus und ist - so steht zu befürchten - immer noch aktuell. Darin war die CIA von Washington angewiesen worden: »A.) Informationen sammeln über Offiziere, die Putschneigung erkennen lassen. B.) Putschklima schaffen durch Propaganda, Desinformation, Terroraktionen, die geeignet sind, die Linken zu provozieren und so einen Vorwand für einen Staatsstreich zu schaffen. C.) Putschgeneigte Offiziere informieren, dass die USA-Regierung ihnen volle Unterstützung bei Putsch zusichert bis an die Grenze einer direkten militärischen Invasion der USA!« Wichtigstes Ziel bei allen Washingtoner Umsturzplänen und Mordoperationen wie die gegen Schneider, Castro, Lumumba oder Trujillo war es, die Rolle der USA »völlig zu verbergen«. (Siehe auch »Mord-Report - Staatsterrorismus made in USA« in »Das Schweigekartell - Fragen und Widersprüche zum 11. September«, Kai-Homilius-Verlag, über ND-Bücherservice zu bestellen)

»Gefährlich und unberechenbar«
Trotz des gescheiterten Putsches in Venezuela hat die USA-Regierung ihre Pläne offenbar nicht aufgegeben und zündelt weiter. Der Minderheitsführer im Senat, Trent Lott (Republikaner), sprach sich für eine USA-Unterstützung der Opposition in Venezuela aus, denn schließlich habe Chávez seine Wahlversprechen nicht eingehalten (ein interessantes Kriterium für einen Putsch!), sei »erheblich nach links gedriftet« und habe für Kuba die Erdölpreise gesenkt. Otto J. Reich betonte, in Venezuela »steht mehr auf dem Spiel als ein Erfolg oder Fehlschlag von Mr. Chávez« - und meinte damit offenbar die reichen Erdölvorräte. Gleichzeitig schien sich Reich an seine Zeit im Büro für psychologische Kriegführung zu erinnern und behauptete, die Regierung habe Berichte erhalten, dass »ausländische Fallschirmjäger - vermutlich Kubaner - in die blutige Unterdrückung von Anti-Chávez-Demonstranten verwickelt waren«. Das alles wird nur noch übertroffen von Bush selbst, der laut »Los Angeles Times« vom vergangenen Freitag nicht etwa die Putschisten, sondern Präsident Chávez aufforderte, zu beweisen, dass er ein »Freund der Demokratie« sei. Gleichzeitig veröffentlichte das Außenministerium eine »Reise-Warnung« für Venezuela. Den Mitarbeitern der Botschaft in Caracas und ihren Angehörigen wurde ein Rückflug in die USA angeboten, denn die Lag...

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