Triumph der Werbespießer

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor arbeitet als freier Medienjournalist und -kritiker in Hamburg.
Der Autor arbeitet als freier Medienjournalist und -kritiker in Hamburg.

Es weihnachtet sehr: Plätzchen backen, Christbaum schmücken, Festschmaus kochen, Hosen bügeln, tüchtig putzen, Süßes kaufen – Haus und Hof sollen tipptop sein, für die Feiertage. Und wer macht’s? Na Mutti! Zumindest im Fernsehen. Ein beliebiger Werbeblock zeigt eine blutjunge Mutter beim Vorbereiten der Festtafel. Dann locken Handys mit feschen Burschen beim Angeln. Daraufhin bespricht das schöne Geschlecht Waschmittelvorzüge, bis das starke Gechlecht Gehirntraining anpreist, eine Blondine ihre Großfamilie bekocht und Männer Autoversicherungen loben.

Geht es um Kopf, Karriere, Kfz, bleiben Werbeträgerinnen unsichtbar; sind ja alle mit Küche, Kegel, Körperpflege ausgelastet. TV-Reklame funktioniert wie zur Premiere vor 53 Jahren: Wo gebacken, geschmückt, gekocht, gebügelt, geputzt, gekauft wird, verzieht sich Vati mit Pils aufs Sofa. Branchenvertreter beteuern zwar, Werbung bilde gesellschaftliche Strömungen, den Zeitgeist nur ab, doch das Wirtschaftsinstitut DIW hat errechnet, dass Männer Anfang des Jahrzehnts sechsmal mehr daheim halfen als noch 1965. Ist die Frau erwerbstätig, erledigt sie laut »Europäischer Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen« nun ein Drittel der Hausarbeit. Rechtfertigt dies einen werbenden Hausfrauenüberhang? Gewiss rechtfertigt es keinen Hausmännerausschluss.

Trotzdem werben Greise, Singles, Ausländer, Arme kaum für die Dinge des täglichen Lebens. Bei diesen »Schnelldrehern« regiert die Kleinfamilie schicker Twens plus Grundschülerin mit kleinem Bruder im porentiefreinen Designerloft und Neuwagen vor der Garage. Dabei war die TV-PR schon mal weiter. Um die Jahrhundertwende drängten sich weichspülende Männer, schwule Pärchen und Krönung-Light-Karrieristinnen in die heile Werbewelt.

Dass sich die Rama-Sippe mit mütterlicher Toffifeebeglückung im sagrotanentkeimten Wohnpalast dennoch durchgesetzt hat, liegt an allen Protagonisten zugleich. Denn Kreative, Wirtschaft und Medien betreiben eine Art Leitkultur-Placement: Per Marktforschung erprobt, mit Testpersonen, die vom Reklame-Biedermeier infiziert sind, für Kanäle, die das passende Programm liefern. Weil es sich so gut verkauft, kommt frau im Block der »Sportschau« zwischen Baumarkt, Bier und BMW bestenfalls im Bikini vor, während Romanzen und Seifenopern die Zeit schönheitsbewusster Putzfrauen sind. Als hätte das Marketing demografische Aufgaben, wird auf den quotenstärksten Sendeplätzen, zwischen Topfilmen und Topshows, vor allem mit Familie geworben. Und weil darin die Haushaltsführenden – also Frauen – den Taktstock führen, ist unsere PR-Moral so bieder. Die Herdprämie dürfte das noch verstärken: Erfolgt Erziehung zu Hause, bleibt sie trotz Elterngeld meist an Mama hängen, die im Schnitt weniger verdient als Papa. Ein Teufelskreis.

Er hält den Werbespießer am Leben, der seit dem brillanten LBS-Spot sogar für Kinder linker Aussteiger als Ideal gilt. Denn wer steht im Maggi-Kochstudio? Wer preist Faltencreme und Bodylotion? Wer posiert in Dessous, die Max vom Gesparten der Autoversicherung zahlt? Richtig, Frauen. Männer dagegen kämpfen mit ritterlichen Ritualen um die Gunst der Angebeteten (Duplo), besiegen die schwerste See (Jever), reißen frauenfeindliche Zoten (Media Markt) und durften unlängst bei Burger King »like a man« essen oder im VW für Jungs fahren, »die damals schon Männer waren«.

Alles beim alten Marketing also: Die Dame darf dank »Dove« zwar fülliger sein, erledigt aber nach der Pflege den Einkauf, um für Kinder zu kochen, deren Vater hungrig aus dem Büro heimkehrt und höchstens mal Werkzeug besorgt. Es ist heimelig in deutschen Fernsehstuben.

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