Spitzentanz zu elektronischen Beats

»Shut up and dance! Reloaded« feiert mit fünf Choreografien an der Komischen Oper Premiere

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Groß heraus bringt diesmal das Staatsballett Berlin sein Format zur Förderung choreografischer Talente aus den eigenen Reihen. Was 2005 im Magazin der Staatsoper klein und beengt begann und 2007 im Club Berghain eine Zwischenstation fand, erobert sich jetzt die Bühne der Komischen Oper.

Auf traditionsreichen und zudem leicht schrägen Brettern heißt es am Freitag »Shut up and dance! Reloaded«. Zwei der beteiligten Choreografen nahmen es mit dem Mundhalten, wie es der Titel fordert, nicht so ernst und gaben bereits vorab Auskunft über ihre Stücke.

Den mit 50 Minuten längsten Beitrag verantwortet Nadja Saidakova, Erste Solistin und seit Beginn mit im Boot der Choreografen-Crew. Choreograf zu werden wäre schon ihr Traum, gesteht sie. Fing sie mit einem Duo an und steigerte sich im nächsten »Shut up« auf sechs Tänzer, so ist »Egopoint« mit neun Mitwirkenden auch personell die größte Herausforderung für die Russin. Solisten und Gruppentänzer hat sie zur Verfügung: Das mache keinen Unterschied, sie setze nur auf kreative Mitarbeit. In Egopoint sieht sie ein vieldeutiges Wortspiel, ob als Punkt im Raum, in der Gesellschaft, im eigenen Ich, um sein inneres Gleichgewicht zu finden. Abstrakt geht sie das Thema an, hatte damit bereits Uraufführung beim Festival spiel’zeit europa im Haus der Berliner Festspiele. Zustande gekommen ist diese Einladung nach einer Vorstellung im Berghain, und von dort hat Nadja gleich den Komponisten mitgebracht. DJ Luke Slater habe mit seiner Montage aus fertigen und neuen Musiken alle Wünsche erfüllt, freut sie sich. Spitzentanz und DJ-Musik dürften in jedem Fall für Spannung sorgen.

Mit spirituellen Erfahrungen beschäftigt sich Martin Buczkós »Will«. Auch der gebürtige Ungar gehört zum harten Kern von »Shut up« und legt mit »Will« schon seine siebte Choreografie insgesamt vor. Eher geheimnisumwoben klingt, was der Solotänzer des Staatsballetts und mittlerweile viel gefragte Komponist dazu erläutert, zitiert selbst René Descartes und seine Philosophie.

Zwei jungen Kollegen bietet er die Chance zu vermitteln, was ihm vorschwebt: ehrliche Emotion und fühlbare Wärme. Angeregt zu seiner Bewegungssprache habe ihn auch die Zusammenarbeit mit dem israelischen Choreografen Itzik Galili, in dessen Trio »The Sofa« Martin bei der Eröffungsgala dieser Spielzeit den Lacher der Saison landete. Bei der Premiere auf der Felsenstein-Bühne wird die »chemische Hochzeit« aller Ingredienzien stattfinden, ist er sich sicher.

An einem weiteren Beitrag des Abends ist er aus Freundespflicht beteiligt. »Among Myselves«, eine Reminiszenz an den ersten »Shut up«, gedenkt Sebastian Nichitas, damals Mitglied der Compagnie, der vergangenes Jahr in München verstarb. Seit der Ballettschule in Budapest kenne er ihn, sagt Martin, habe ihn in Berlin wiedergetroffen, mehrfach Musik für ihn entworfen. Mit Hilfe einer Kollegin konnte die Choreografie rekonstruiert werden und steht nun als Erinnerung an ein hoffnungsvolles, zu früh geendetes Leben.

Die Dritte im Bund der »Shut up«-Initiatoren ist Xenia Wiest, und es spricht für die Förderpolitik im Staatsballett, gestandenen Talenten längerfristig ein Podium zu bieten. »To be continued« der Moskauerin spielt auf den ewigen Kreislauf des Lebens an, während »Space Control Area« der Irin Kathlyn Pope an zwei Pionierinnen der elektronischen Musik erinnert. Für das Debüt des Serben David Simic, »Feelings of X+1=3« als Gleichung eines Paares, haben das Balanescu Quartet und Simics Kollege Arshak Ghalumyan Musik beigesteuert. Als bereits erfolgreichen Gast hat sich das Quintett von »Shut up« den Berliner Tim Plegge, Absolvent der Choreografie-Ausbildung an der Hochschule »Ernst Busch«, und sein »Sonett XVIII« eingeladen.

Premiere am 15.1., Komische Oper, Kartentelefon 206 09 26 30, Infos unter: www.staatsballett-berlin.de

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