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Eine Stunde für etwas Zuversicht

Bei einer Krebs-Therapie im Virchow-Klinikum vor Ort / Mit radioaktiven Partikeln gegen Tumore

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sei »befreiend« gewesen, sagt Esther Ebert. Die 44-jährige Berlinerin gibt an diesem Mittwoch Auskunft, auch über ihre neue Zuversicht. Vor drei Wochen wurde die an Krebs erkrankte Mutter zweier Töchter hier im Virchow-Klinikum der Charité in Wedding behandelt. Es geht ihr besser. Mit Brustkrebs ging es 2002 los, dann Metastasen in der Leber und sieben Tumore im Gehirn. An die Chemo hatte sich die Kassiererin und nunmehr Frührentnerin gewöhnt. Die half nicht mehr. Was aber nun?

Eine Therapie, »wenn man mit dem Rücken zur Wand steht«, nennt der Leitende Oberarzt der Klinik für Strahlenheilkunde im Virchow-Campus, Dr. Bernhard Gebauer, die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT). »Das ist kein Allheilmittel.« Die gezielte Behandlung, bei der winzigste radioaktive Kügelchen direkt in die Tumore eingebracht werden, kommt erst nach der Chirurgie und nur bei der Leber in Anwendung.

Was dabei geschieht, demonstriert der Radiologe wenig später in einer rund einstündigen Operation. Sein Patient ist ein 64-jähriger Brandenburger mit einer ebenfalls weit fortgeschrittenen Tumorerkrankung. Trotz der Chemotherapie sind weiterhin Metastasen aufgetreten. Gegen sie werden zunächst in der rechten Leber des Mannes nun die als SIR-Spheres Mikrosphären bezeichneten radioaktiven Kügelchen aufgeboten. Sie bestrahlen faktisch von innen und direkt vor Ort den Krebs. Die Strahlen dringen knapp drei Millimeter ins Gewebe ein. Die Halbwertzeit von Ytrium-90 beträgt etwa zweieinhalb Tage. In den ersten beiden Wochen der Behandlung erreichen also über 97 Prozent der Strahlung den Tumor. Gesundes Gewebe wird so wenig wie möglich belastet.

Den Weg des in die Leiste eingeführten Katheders, durch den das Mittel zum Einsatzort gebracht wird, verfolgen Ärzte wie Besucher auf Monitoren. Auch der örtlich betäubte Patient kann zuschauen. »Ich war sehr aufgeregt«, hatte Esther Ebert berichtet, aber auch: »Es war sehr interessant.«

Im OP sind sterile Kleidung und Bleiwesten wegen der Strahlung Pflicht. Geschützt durch eine zentimeterdicken Scheibe erläutert Oberarzt Dr. Thomas J. Kröncke im Vorraum das Geschehen. Die dunklen Flecken auf der Leber sind die Tumore. Darin bleiben die Mikrospähren mit ihrem Durchmesser von rund 32 Mikron – etwa ein Drittel des Menschenhaares – faktisch stecken. Sie können eine Linderung von Schmerzen und zum Teil deutliche Verkleinerungen der Tumore bewirken. »Wir reden nicht von Heilung«, stellt Dr. Kröncke noch einmal klar. »Es geht um die Verlängerung von Lebenszeit und Lebensqualität.«

Die Entwicklung der SIR-Spheres Mikrosphären begann in den 80er Jahren in Australien. Sie wurden im Jahr 2002 in Europa und in den USA amtlich zugelassen. Seit 2008 gehören sie in der Bundesrepublik zu den Kassenleistungen. Das Fläschchen mit dem Mittel, das aus Australien eingeflogen wurde, ist längst im OP. Die Nuklearmedizinerin Dr. Bertram hat es eingebracht. Auf dem Monitor sehen wir, dass die radioaktiven Partikel den Tumor erreicht haben. »Alles in Ordnung«, sagt eine Schwester, »es geht ihm gut.«

Anfragen von Patienten an Frau Marianne Geister, Telefon.: 450 55 73 09, Fax: 450 55 79 47; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Strahlenheilkunde, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin

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