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Wieder 1. Mai
Rainer Funke warnt vor staatlichen Knüppeleien
Alle Jahre wieder, so um die 80 bis 100 Tage vorher, beginnen manche Verantwortungsträger, den Bürger mental auf den 1. Mai einzustimmen. Man könnte auch sagen, die Situation anzuheizen. Die Polizeigewerkschaft DPolG beispielsweise, die im Beamtenbund angesiedelt ist, malte am Wochenende ein Szenario, nach dem polizeiliche »Hundertschaften verheizt werden«. Dass die Berliner Polizei deshalb »ihre lasche Taktik der Vergangenheit« ändern und »null Toleranz« demonstrieren müsse, um überhaupt noch polizeiliche Amtshilfe anderer Bundesländer zu bekommen, hält man für zwingend logisch.
Bei der DPolG tut man sich wohl aus Profilierungsgründen schwer mit dem 1. Mai. Denn Prügelorgien durch Polizei sowie die Praxis, aufkommende Gewalt »im Keim zu ersticken« – das hatten wir schon in der Stadt. Unter der Regie von CDU-Innensenatoren. Und bar jeden Erfolges. Deshalb taten sich vor Jahren Bewohner, Händler, Polizei, Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Migrantengruppen, Parteienvertreter und Künstler zusammen, um der Gewalt mit ihren jeweiligen Mitteln gemeinsam entgegenzutreten. Der Raum wurde mit Volksfesten besetzt, die Polizei bot eine ausgestreckte Hand, debattierte und beschwichtigte, ehe sie Gewalttätern entgegentrat.
Wie die jüngste Studie erneut deutlich machte, steuert der Alkohol die Täter, auch die Lust am Krawall, weniger das politische Motiv. Das verdient es, in alle Überlegungen einbezogen zu werden, um das aktuelle Konzept zu qualifizieren, nicht aber den Ruf nach mehr staatlichem Knüppel. Denn der gehört zu den Konzepten aus dem Polizeihistorischen Museum.
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