Bürgerschaftspräsident rutscht auf »Glatteis-Affäre« aus

Hamburg: Eine exklusiv schneebefreite Straße kostet CDU-Politiker das Amt

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Sein Schlingern in der Affäre um eine exklusiv für ihn von Schnee und Eis befreite Wohnstraße hat dem Hamburger CDU-Politiker Berndt Röder das Amt gekostet. Der Bürgerschaftspräsident trat am Sonnabend zurück.

Sturz über »Glatteis-Affäre«: Der Hamburger CDU-Politiker Berndt Röder ist am Sonnabend von seinem Amt als Bürgerschaftspräsident zurückgetreten. Damit zog Röder die Konsequenzen aus seinen verunglückten Rechtfertigungsversuchen, warum ausgerechnet in seiner Wohnstraße die Stadtreinigung anrückte und die Fahrbahn vom Eis befreite, während ganz Hamburg über zugefrorene und nicht geräumte Straßen stöhnte.

Er wolle die Diskussion um seine Person beenden, um Schaden vom Parlament abzuwenden, erklärte Röder zu seinem Rücktritt. CDU-Bürgerschaftsfraktionschef Frank Schira erklärte: »Wir sind alle sehr traurig, dass die aktuelle Entwicklung der sogenannten Glatteis-Affäre diesen Schritt notwendig machte. Selbstverständlich respektieren wir seine Entscheidung.« Die oppositionelle SPD bezeichnete den Schritt als »überfällig«, während die GAL, die in Hamburg zusammen mit der CDU den Senat stellt, Röder Respekt zollte. Nach Auffassung von Norbert Hackbusch (LINKE) müsse die Affäre weiter umfassend aufgeklärt werden. Als Bürgerschaftspräsident bekleidete CDU-Politiker Röder das zweithöchste Amt in der Hansestadt nach dem des Bürgermeisters. Der Bürgerschaftspräsident vertritt die Interessen des Stadtparlaments gegenüber dem Senat.

Röder war ins Zentrum der Kritik geraten, nachdem bekannt geworden war, dass exklusiv in der Frustbergstraße im Hamburger Stadtteil Groß Borstel die Stadtreinigung mehrfach angerückt war, um die Wohnstraße Röders eisfrei zu machen. Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse, die ihn flugs zum »Glatteis-Bonzen« erklärte und immer neue Details der Vorzugsbehandlung ans Tageslicht förderte. So hatte Röder nicht direkt die zuständige Stadtreinigung angesprochen, um seine Straße eisfrei zu bekommen, sondern sich an das zuständige Bezirksamt Hamburg-Nord, an den Innenstaatsrat Stefan Schulz (CDU) und den Umweltstaatsrat Christian Maaß (GAL) gewandt.

»Ich habe nachmittags einen Termin, ich will hier weg!«, soll Röder laut NDR Online in einem Telefonat mit dem Bezirksamt Nord gesagt haben. Kurze Zeit später rückte die Stadtreinigung angeblich drei Mal an, während in den umliegenden Straßen Schnee und Eis liegenblieben – wie übrigens in ganz Hamburg.

Er habe »doch keine silbernen Löffel geklaut«, rechtfertigte sich Röder, nachdem der Fall in der Presse bekannt geworden war. Er wolle aber »nichts beschönigen und räume Fehler ein«, zeigte sich der zweithöchste Repräsentant der Hansestadt zerknirscht. Es schien auch eine Zeit lang so, als ob Röder in seinem Amt verbleiben könne – wenn auch deutlich angeschlagen. So erklärte CDU-Fraktionschef Schira, sein Parteikollege stehe nunmehr unter »strenger Beobachtung«, wohl eher eine Demütigung für den machtbewussten Röder.

Das endgültige Aus kam, als immer neue Widersprüche auftauchten. So hatte Röder erklärt, ihm sei der Kragen geplatzt, als er einen schlingernden Rettungswagen in seiner Straße gesichtet habe. Recherchen hatten dann aber ergeben, dass es zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt keinen Noteinsatz in der Straße Röders gegeben habe. Auch seine Behauptung, ihm habe das Wohl eines Kulturzentrums in seiner Straße am Herzen gelegen, stieß auf Widerspruch: Das Zentrum wird von einem privaten Räumdienst betreut. Als Nachfolger für Röder wird nun der Name von Parteikollege Wolfhard Ploog gehandelt. Ploog ist bereits Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft.

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