Abgemacht ist abgemacht

Fontanes »Irrungen, Wirrungen« im Theater an der Parkaue

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Liebe schmerzt – Alkohol verdrängt
Liebe schmerzt – Alkohol verdrängt

Lebenstüchtig, vergnügt wie ernsthaft tritt Lene auf – und das junge Publikum liebt Corinna Mühle in dieser Rolle. Auch auf die temperamentvolle Frau Dörr, die von Katrin Heinrich schön berlinisch gespielt wird, reagiert es begeistert. Selbst wenn es zu hören bekommt, man könne sich mit dieser Frau in der Öffentlichkeit nicht sehen lassen, ohne sich zu blamieren. Die Dörrsche Munterkeit wiegt das auf.

Eine Überraschung indes ist am Ende die Reaktion der Zuschauer auf die Rolle des Dieners Rudolf. Geduldig und erduldend sieht man Helmut Geffke. Eine Meinung steht dem Bediensteten nicht zu. Großartig schafft es der Schauspieler am Ende zu zeigen, wie sich seine fast stumme Ergebenheit in stille Ablehnung verwandelt. Das wird bejubelt und ist nur ein Beispiel für die emotionale Stärke des Stücks. In eigener Bühnenfassung inszenierte Sascha Bunge Theodor Fontanes »Irrungen, Wirrungen« im Theater an der Parkaue für Zuschauer ab 16 Jahren.

In der Geschichte einer nicht standesgemäßen Liebe zwischen der Näherin Lene und dem jungen Baron Botho von Rienäcker wird entsprechend Fontanes Roman von 1888 das Milieu stark gezeichnet. Da sind die so genannten einfachen Leute in ihrer kleinbürgerlich bescheidenen, ordentlich geregelten Welt. Als Lenes Freund wird Baron Botho nicht nur von der Familie Nimptsch, Lenes Eltern, sondern auch auch von deren Nachbarn, den Dörrs, freundlich aufgenommen. Baron meint, sie lebten wie Gott in Frankreich. »Tja, wenn der so lebt?«, wundert sich die alte Waschfrau Nimptsch.

Auf der anderen Seite das herrschaftliche Milieu. Die preußischen Herren prahlen in geselliger Runde mit ihren vermeintlichen Heldentaten im deutsch-französischen Krieg 1870/71, nach dessen Ende Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser wurde. Auf ihn wird kräftig angestoßen. Champagner fließt in Strömen. Zack, zack, immer voran Bothos Onkel Kurt Anton von Osten, den Hagen Löwe Worthülsen brüllend spielt. Er übertönt damit das Kriegsgeräusch der Schlachtfeldszenen auf der Rückprojektionsleinwand – sehr gut gemacht.

Bunge nutzt die Leinwand im preußisch kühl geprägten Bühnenbild von Angelika Wedde später noch einmal. Da fährt die von der Familie für Botho schon seit seiner Kindheit gewählte Ehefrau Käthe von Sellenthin (Franziska Ritter) zur Kur in den Taunus und berichtet von jeder Reisestation. Diese Szene ist unnötig in die Länge gezogen. Man bekommt auch in kürzerer Zeit mit, dass die von Botho als oberflächlich eingeschätzte Käthe nur plappert und er sich im Vordergrund mit Alkohol vollkippt, um seinen Schmerz über die verlorene Liebe und die Enttäuschung über sich selbst zu betäuben. Botho, der sich durch die Heirat mit Käthe den Zwängen seines Standes hingibt – denn abgemacht ist abgemacht – wird mit der Situation nicht fertig.

Lene, die die Beziehung von Anfang an realistisch sah, leidet indes nicht weniger. Sie macht mit der Situation aber ihren Frieden und heiratet auch. Jedoch lässt sie ihren Ehepartner nicht wie Botho im Unklaren über Erlebtes. Seit einer Landpartie ins Brandenburgische hatte Lene das Ende der Beziehung kommen sehen. Hier waren Freunde von Botho aufgetaucht, bei denen er sich mit ihr nicht sehen lassen konnte und wollte. Eine traurige Szene und auf eine andere Art gleichzeitig amüsant. Denn daran, wie Fontane die Brandenburger und ihr Verhältnis zu Geld bringenden Sommergästen aus der Stadt darstellt, hat sich bis heute reineweg nichts geändert. Den Wirt spielt Manfred Struck.

Wieder ab 10.3., 19 Uhr, Theater an der Parkaue, Parkaue 29, Lichtenberg, Tel.: 55 77 52-0, www.parkaue.de

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