Was gut und was schlecht läuft

Viele Klagen und Wünsche erreichen Klaus Wowereit auf Kieztour in Wedding

  • Lesedauer: 3 Min.

(dpa). Auf dem Leopoldplatz im Berliner Bezirk Mitte, Stadtteil Wedding, prallen Welten aufeinander. Anwohner, Vertreter der Nazarethkirche am Platz und Ladenbesitzer beschweren sich massiv über die zunehmende Verwahrlosung durch immer mehr Alkoholiker und Drogenabhängige, die den Leopoldplatz von morgens an bevölkern. Die Suchtabhängigen kritisieren, dass niemand etwas für sie tue. Polizisten machen auf die wachsenden sozialen Spannungen aufmerksam, die durch immer mehr rumänische Roma entstehen, die sich illegal in besetzten Wohnungen niederlassen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) muss sich am Montagvormittag viele Klagen und Sorgen über mangelnde Sicherheit und Sauberkeit anhören.

Im Regierungsbezirk Mitte, zu dem auch das soziale Problemviertel Wedding mit vielen Arbeitslosen und Zuwanderern gehört, hat Wowereit seine Tour durch alle zwölf Bezirke gestartet. Mit den Besuchen will sich der Regierende Bürgermeister wieder mehr vor Ort umsehen und ein offenes Ohr für die Bürger zeigen. Wowereit reagiert mit dieser Tour auch auf die wachsende Kritik, er habe sich in den vergangenen Monaten zu wenig um die Probleme der Stadt gekümmert.

Wo der SPD-Politiker auftaucht, bilden sich schnell Menschentrauben. Viele wollen die Gelegenheit nutzen, den Regierenden Bürgermeister für ihr Anliegen zu gewinnen. In der Hedwig-Dohm-Oberschule informiert sich Wowereit über die Umsetzung der Schulstrukturreform. Die künftige Sekundarschule vereint Real- und Hauptschule, die es vom nächsten Schuljahr an nicht mehr als Schultypen geben soll. Gut eine Million Euro aus dem Konjunkturprogramm II werden in neue Schulräume, die Erweiterung der Mensa und Erneuerung der Hauselektronik gesteckt.

Die jetzige Realschule mit einem Migrantenanteil von 82 Prozent setzt bereits einen Schwerpunkt auf vertiefte Berufsorientierung. Sie arbeitet mit verschiedenen Unternehmen zusammen, ein Personalchef übt mit den Schülern Bewerbungsgespräche. Dennoch können nur wenige Schüler direkt nach der Schule einen Ausbildungsplatz vorweisen.

Auf dem Schulhof wird Wowereit umringt wie ein Popstar. Zahlreiche Schüler wollen sich mit ihm fotografieren lassen. Taher aus dem Libanon bittet ihn: »Sorgen Sie dafür, dass am Nachmittag kein Unterricht stattfindet.« Der künftige Ganztagsbetrieb bis 16 Uhr passt dem 16-Jährigen nicht. Wowereit lobt das Engagement der Schulleitung. »Es ist wichtig, dass diese Jugendlichen wirklich eine Chance bekommen. Unsere Gesellschaft braucht gut ausgebildete Jugendliche.«

Zum Leopoldplatz fuhr Wowereit volksnah mit der U-Bahn. Erkannt wurde er überall. Bevor Wowereit eintraf, hatte die Nazarethkirchengemeinde den Leopoldplatz vor dem Kirchengebäude für eine Stunde abgesperrt, um zu demonstrieren, wie schön und sauber er aussehen könnte.

Projektleiterin Martina Sarzio macht den Bezirkspolitikern herbe Vorwürfe. Sie würden den Rathausvorplatz vor Drogen und Alkohol schützen und hätten so die Drogenszene auf den Leopoldplatz verdrängt. Auch ein Pastor betont, wie enttäuscht die Kirchengemeinde vom Verhalten der Politiker sei.

Anschließend besuchte Wowereit mehrere Initiativen. Ein Frauenladen, der sich um die berufliche Wiedereingliederung von gestrauchelten Frauen kümmert, und ein ehrenamtlicher Nachbarschaftsladen berichten von ihren Bemühungen, Rat, Tat und eine Perspektive zu bieten. Wowereits Fazit: Mit einem Kiez-Besuch könne man nicht alles verändern. »Doch man bekommt ein Gefühl dafür, was gut läuft und was schlecht läuft.«

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