Tsunami in römischer Zeit

Kieler Forscher entdecken Spuren vor Westafrika

  • Lesedauer: 2 Min.

Kiel (ND). Während einer Expedition südlich der Kanarischen Inseln waren Kieler Meeresforscher eigentlich auf der Suche nach den Ursachen des Abrutschens von Teilen des Kontinentalhangs vor ungefähr 50 000 bis 60 000 Jahren. Dabei entdeckten die Wissenschaftler jedoch Spuren einer gewaltigen, bisher völlig unbekannten Rutschung, die wesentlich jüngeren Datums ist: Dort gingen vor rund 2000 Jahren Schuttmassen 900 Kilometer weit von der Abrisskante in die Tiefen des Atlantiks. Am Ende bedeckten sie eine Fläche von 150 000 Quadratkilometern am Meeresboden. »Das ist, als ob in den Alpen Lawinen abgehen und bis Kiel rutschen«, erklärt Sebastian Krastel vom Kieler Exzellenzcluster »Ozean der Zukunft«.

Zweieinhalb Wochen war das deutsch-britisch-irische Wissenschaftlerteam mit dem Kieler Forschungsschiff »Poseidon« südlich der Kanarischen Inseln unterwegs, um die bereits bekannte Sahara-Hangrutschung näher zu untersuchen. Mit Hilfe akustischer Messungen und mit Proben vom Meeresboden wollten sie die Mechanismen besser verstehen, die große Hangrutschungen am afrikanischen Kontinentalhang auslösen. Er gehört zu den passiven Kontinentalrändern, da dort keine Erdplatten aufeinander stoßen und deshalb auch kaum Erdbeben als Auslöser in Frage kommen. »Die Theorie lautete bisher, dass größere Rutschungen an einem derartigen Kontinentalhang immer mit deutlichen Klima- und Meeresspiegelschwankungen zusammenhängen«, erklärt Krastel. Umso überraschter waren die Forscher, als sie klare Indizien für die geologisch sehr junge Rutschung vor rund 2000 Jahren fanden. »Damals war die jüngste Eiszeit längst beendet, Klima und Meeresspiegel waren relativ stabil«, sagt Krastel. Die Entdeckung könnte Konsequenzen für Gefahrenabschätzungen in allen nahen Küstenregionen haben. Hangrutschungen lösen im schlimmsten Fall verheerende Tsunamis aus. »Aber so weit muss man gar nicht gehen – auch unter Wasser richten sie genug Schaden an«, betont Krastel. Denn auf dem Meeresgrund stehen Bohrinseln, verlaufen Pipelines, liegen Telefon- und Datenkabel. Als 2008 im Mittelmeer ein Hang vor Sizilien abrutschte, blieben mehrere Staaten tagelang größtenteils vom Internet abgeschnitten, weil die Unterseekabel gekappt wurden.

Nun hoffen die Wissenschaftler auf Hinweise in zeitgenössischen Chroniken: »Vielleicht findet sich ja irgendwo ein Hinweis auf eine zeitlich und örtlich passende Katastrophe«, hofft Krastel.

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