Manifestation in einem etwas normaleren Land

Erstmals fand in Istanbul die Mai-Kundgebung wieder auf dem Taksim-Platz statt

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Der 1. Mai beginnt wie in den Jahren zuvor recht früh. Doch diesmal

sind es keine Hubschrauber, die im Tiefflug über die Häuser donnern, und nicht der Geruch von Tränengas, der durch die Ritzen dringt, die mich um halb sechs Uhr wecken, sondern das Lied Bella Ciao, das durchs Viertel klingt. Blechtrommeln, Pauken und das wilde Pfeifen von Oboen folgen.

Unten vor dem Haus steht die Frau des Hausmeisters. Eine etwas in de Breite gegangene türkische Mutter mit Kopftuch und freundlichem Lächeln. »Wo wollen Sie hin?«, fragt sie besorgt. »Taksim!« – »Gehen Sie nicht!« – »Warum?« – »Gut, aber machen Sie keine Ungezogenheiten!«

Eine Demonstration am 1. Mai an Istanbuls zentralem Taksim-Platz ist noch immer ein Politikum. Seit am 1. Mai 1977 Unbekannte auf die Demonstranten auf dem Platz das Feuer eröffneten und 34 Menschen töteten, waren Manifestationen am Taksim immer verboten. Regelmäßig »wusste« die Polizei aus irgendwelchen Quellen, dass eine Provokation am Taksim-Platz (und nirgendwo sonst...


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