Schuld war nur der Computer

Ex-Apotheker wegen des Verstoßes gegen das GÜG vor Gericht

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Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Gerichtsverhandlungen zu Verstößen gegen das BtMG gehören zum gerichtlichen Alltag. Nun ist auch erstmals eine Anklage wegen des Verstoßes gegen das GÜG im Angebot. Das eine ist das Betäubungsmittelgesetz, das andere das Grundstoffüberwachungsgesetz.

Ein in Würden ergrauter Apotheker ist angeklagt, eben gegen dieses GÜG verstoßen zu haben. Der 61-jährige Klaus-Günther stand einst der Leopold-Apotheke in Wedding vor, bis sein mittelständisches Unternehmen 2005 nach einer polizeilichen Razzia in den Strudel eines Skandals geriet. Das Geschehen liegt nun über fünf Jahre zurück, die Mehrzahl der Akteure wurde bereits rechtskräftig zu hohen Haftstrafen verurteilt. Nun also als letzter Klaus-Günther. Er soll der Boss einer international operierenden Bande gewesen sein, die im großen Stil die meldepflichtige Chemikalie Ephedrinhydrochlorid aufkaufte, um sie dann mit hohem Profit an Drogenlabore in Deutschland und Tschechien weiterzuverkaufen.

Ephedrin steht auf einer Liste von Substanzen, die direkt als Ausgangsmaterial zur Herstellung illegaler Drogen dienen können, so zum Beispiel zur Produktion der weit verbreiteten Partydroge »Crystal«. Auch bei Pferdehändlern steht Ephedrin ganz weit oben auf der Beliebtheitsskala. Die Tiere sollen sich nach Gebrauch zu ungeahnten Leistungen aufschwingen. Und so manch ein Muskelprotz verdankt der Substanz seinen gigantischen Oberbau. Der Erwerb und die Herstellung von Ephedrin ist an eine Erlaubnis gebunden. Apotheker haben Zugang, weil sich das Grundmaterial in geringen Mengen auch in Hustentropfen oder Nasensprays wiederfindet. Für einen Weißkittel also ein Leichtes, sich diesen Stoff im Großhandel zu beschaffen.

Vor Gericht steht ein alter, gebrochener und von Krankheiten gezeichneter Mann, der von all dem Treiben in seiner Apotheke nichts gewusst haben will. Es sei eine ehemalige Mitarbeiterin und ihr Familienclan gewesen, die den illegalen Schmuggel hinter seinem Rücken organisiert hätten. Sie hätte alle Warenlieferungen unter ihrer Kontrolle gehabt. Er müsse sich vorwerfen lassen, ihr zu viel Vertrauen entgegengebracht zu haben, sie habe das auf schlimme Weise missbraucht.

Über seinen Apothekertisch gingen täglich beträchtliche Summen zwischen 5000 und 7000 Euro. An die 300 Kunden suchten bei ihm pharmazeutische Hilfe. 2003, gut ein Jahr vor der polizeilichen Schließung, machte die Leopold-Apotheke einen Jahresumsatz von 1,15 Millionen Euro.

Einzelne Posten an Medikamenten oder auch an eingekauften Grundstoffen habe er gar nicht wahrgenommen, sagt heute Klaus-Günther. Er habe nur die Rechnungen auf Richtigkeit überprüft. Und da stimmten Einnahmen und Ausgaben, Gewinne und Verluste.

Doch es ging hier um 358 Kilo einer durchaus gefährlichen Substanz, wenn sie in falsche Hände gerät. Hätten da nicht bei ihm die Alarmsignale aufleuchten müssen?

Der Computer ist schuld, sagt der Angeklagte. Der Apparat bestellt automatisch nach, wenn Medikamente ausgehen, er registriert die notwendigen Nachlieferungen, apothekerliches Eingreifen ist gar nicht mehr erforderlich. Der Posten Ephedrin taucht nicht gesondert in den Unterlagen auf, sondern nur der Gesamtbetrag des Großhändlers, eine so genannte Sammelrechnung. Seine Gehilfin erkannte die Lücken im Kontrollsystem, konnte schalten und walten, ohne dass der Ephedrin-Handel auffallen konnte. »Alles, was in der Apotheke passierte, ist irgendwie an mir vorbeigegangen«, versicherte er sichtlich geknickt dem Gericht. Aus seinem finanziell abgesicherten Ruhestand wurde nichts, nun muss er mit einer eher bescheidenen Rente auskommen. Ob er für seine Nachlässigkeit verurteilt werden kann, bleibt zweifelhaft. Denn das GÜG hat in den letzten Jahren viele Wandlungen erlebt. Vieles war 2005 nicht strafbar, was heute verboten ist.

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