Aufstieg und Fall des »Keltischen Tigers«

Prof. Kieran Allen über den Kollaps des irischen Entwicklungsmodells

Noch vor nicht allzu langer Zeit als »Keltischer Tiger« zum Entwicklungsmodell verklärt, zählt Irland heute in der Eurozone neben Portugal, Griechenland und Spanien zu den größten Problemfällen. Verbindlichkeiten und Außenstände irischer Kreditinstitute belaufen sich auf 533 Milliarden Euro. 81 Milliarden davon wurden in der staatlichen »Bad Bank« NAMA zusammengefasst. Das Haushaltsdefizit ist auf 11 Prozent gestiegen. Das Bruttoinlandsprodukt, 2008 um 3 Prozent geschrumpft, sank im vergangenen Jahr um weitere 7,5 Prozent. Folge ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf mehr als 13 Prozent. Über die Gründe für dieses Fiasko und Alternativen zur neoliberalen Rosskur der Regierung sprach ND mit dem Soziologieprofessor Kieran Allen vom University College Dublin. Allen zählt zu den führenden Linksintellektuellen auf der Grünen Insel und veröffentlichte 2009 das viel beachtete Buch »Ireland's economic crash. A radical agenda for a change«. Die Fragen stellte Raoul Rigault.

ND: Wie ist der Kollaps des früher gelobten irischen Erfolgsmodells zu erklären?
Kieran Allen: Die Legende vom »Keltischen Tiger« trug bereits den Keim ihrer Selbstzerstörung in sich. Entgegen der mythologischen Sichtweise einiger Ökonomen und Anhänger der Chicagoer Schule war das schwindelerregende Wachstum der irischen Wirtschaft nicht das Ergebnis einer Deregulierungs- und Privatisierungspolitik oder der Einkommensteuersenkungen für Privatpersonen. Der Hauptgrund für die Prosperität lag in einer Politik der steuerlichen Entlastung der Unternehmen. Die Insel wurde faktisch zu einem Steuerparadies für die Vereinigten Staaten. Diverse US-amerikanische Konzerne lagerten Teile ihrer Aktivitäten nach Irland aus, vor allem von 1995 bis 2001, um so vom niedrigeren Steuersatz zu profitieren. Der lag in Irland bei nur 12,5, in den USA bei 35 Prozent.

Daneben kamen die Unternehmen in den Genuss relativ kostengünstiger Arbeitskräfte, die obendr...



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