Pressestelle

Schöne neue Welt

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Was »Top-Personaler längst wissen«, teilt die »BZ« vom Freitag mit. »Die Zeiten, da das Management eines Großunternehmens aus geklonten Schlipsträgern mit nahezu identischen Biografien bestand«, seien endgültig vorbei. Als Indiz für diese gewagte Feststellung, die den Wirklichkeitstest leider nur selten besteht, führt die Zeitung die Berufung Sigrid Evelyn Nikuttas zur künftigen BVG-Chefin an – und verweist für weitere Informationen »auf Seite acht«. Dort jedoch findet sich keine Zeile über Nikutta, auch nicht über die schöne neue, frauenfreundliche Arbeitswelt – sondern ein Bericht über saufende Männer am »Herrentag«. Na gut, geklont sehen sie nicht aus und Schlipse tragen die meisten von ihnen auch nicht.

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Mit der Personalie Nikutta beschäftigt sich auch ein (männlicher) Frauenversteher des »Tagesspiegel« in der Ausgabe vom Freitag. Männer würden es einfach gerne sehen, »wenn mal ausnahmsweise eine hübsche Busfahrerin am Lenkrad kurbelt«. Und dann »lächeln diese Frauen sogar, wenn man es wagt, in den Bus zu steigen«, fährt der Redakteur fort. Ob der betreffende Journalist von einem Uniform-Fetisch betört ist und »diese Frauen«, die ja durchaus auch mal unansehnlich oder unfreundlich sein dürfen, deshalb als graue Menge wahrnimmt, war nicht zu klären. Abgesehen von der Wortwahl, muss man sich aber mit ihm freuen, dass der BVG-Vorstand »bald weiblich bestückt ist«.

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Zwei weitere Frauen waren Berliner Stadtgespräch der Woche: Der ungebremste Höhenflug des schrillen Pop-Phänomens Lady Gaga und der bodenlose stimmliche wie psychische Absturz der Ex-Diva Whitney Houston ließen sich am Dienstag- bzw. Mittwochabend gleichermaßen bestaunen. Die meisten Zeitungen begleiteten dies mit einer Doppelberichterstattung – und überboten sich dabei an positiven wie vernichtenden Superlativen.

So stellte der »Tagesspiegel« die Schlagzeilen »Der Freak in dir« (Gaga) und »Der Feind in ihr« (Houston) knallig gegenüber. Dem hielt die »Berliner Zeitung« ein schmetterndes »Heiß und feucht« (Gaga) bzw. »Schreien oder Schreiten« (Houston) entgegen. Die »Morgenpost« vereint die beiden Unvereinbaren gleich unter der gemeinsamen Überschrift »Von der öffentlichen Selbstzerstörung«. Die einzige Zeitung, der es gelang, Lady Gaga nach der Show im »Berghain« abzulichten, war natürlich die »BZ«. Und die hatte auch die lustigste Überschrift: »Houston, wir haben ein Problem«.

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Treffend äußert sich in der »Berliner Zeitung« vom Mittwoch Jan Thomsen zum neuen, dem »Walk of Fame« in Hollywood nachempfundenen »Boulevard der Stars« am Potsdamer Platz. »Was ist schlimmer als eine schlechte Idee? Jawohl: eine abgekupferte schlechte Idee.«

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