Der Deichgraf macht Pfingsten Urlaub

Sollte das Oderhochwasser unerwartete Probleme bereiten, will Platzeck aber zur Stelle sein

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will trotz Oderhochwassers seinen Pfingsturlaub antreten. Auf jähe Wendungen ist er dabei jedoch eingestellt. Sollten sich unerwartete Dinge einstellen, »bin ich retour«. Die aus Polen nahende Welle »stellt eine ernst zu nehmende Situation dar«, sagte Platzeck am Freitag. »Wie es ausgeht, kann niemand sagen.« Was die schiere Menge des Wassers betreffe, sei die Situation mit dem verheerenden Hochwasser von 1997 vergleichbar. Doch gebe es Aussichten dafür, dass sich weder die rasche Zunahme der Pegelstände noch die Deichbrüche wiederholen werden. Der brandenburgische Oderdeich ist demnach nahezu vollständig erneuert, erhöht oder auch völlig neu gebaut worden, sagte Platzeck. Die drei verbliebenen Deichbaustellen bezeichnete er als gesichert.

Einige Tage weilte der Ministerpräsident zuvor in Polen und hatte sich dort ein Bild von der extrem schwierigen Lage gemacht. Zwar habe Brandenburg insofern Glück, als die schweren Regenfälle diesmal ein wenig abseits der Oderzuflüsse niedergingen. Diesmal sei vor allem das Einzugsgebiet der Weichsel betroffen. Doch führe jetzt im Unterschied zu 1997 auch die Warthe – neben Neiße und Bober ein weiterer Zufluss der Oder – extrem viel Wasser. In Wroclaw habe man Polder öffnen und sogar die Überflutung von noch bebautem Gebiet in Kauf nehmen müssen, sagte Platzeck. »Das zeigt, wie es dort aussieht.«

Zu den wichtigen und bislang ungelösten Fragen gehört auch die, ob sich die Scheitel der Fluten aller Oderzuflüsse nacheinander ergießen oder gleichzeitig. In letzterem Falle würden sie sich verstärken und die Lage für Brandenburg schwieriger machen. Auch hat der Wetterbericht weitere Niederschläge nicht ausgeschlossen. Das könnte die Flut verlängern.

Der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, sagte, die brandenburgischen Deiche seien nach neuesten Gesichtspunkten gebaut worden. Auch ein Aufschwemmen mit Sickerwasser sei nicht mehr zu fürchten. Man sei imstande, die Deiche »trockenzulegen«. Die bei der Flut von 1997 noch eingesetzten Millionen Sandsäcke werden voraussichtlich diesmal gar nicht gebraucht. Auch am polnischen Ufer der Oder habe sich in den vergangenen Jahren einiges getan, bestätigte Freude. Die Deiche seien dort auf die gleiche Höhe wie in Brandenburg gebracht worden. Allerdings habe Polen rund 1000 Kilometer Oderdeich, Brandenburg nur 169 Kilometer. Der Nachbarstaat habe den Deich mitunter weniger aufwändig errichtet. Von den 14 bislang in Polen erlittenen jüngsten Deichbrüchen seien 13 an alten Deichen geschehen. Ein Pole wird während der Flut im brandenburgischen Lagezentrum arbeiten, umgekehrt hält ein Brandenburger die Verbindung zu Polen. Landesbrandmeister Henry Merz – er ist im Katastrophenfall auch für Wassermassen zuständig – zeigte sich darüber erleichtert.

Zum Glück gebe es diesmal das Handyproblem nicht, freute sich Platzeck. Zu den Schwierigkeiten vor zwölf Jahren habe gehört, dass verschiedene Personen einfach nicht erreichbar waren. »Heute hat doch jeder so ein Ding.« Platzeck ergänzte, die Deichbrüche in Polen bedeuten für Brandenburg, dass das Wasser nicht so rasant steigt und auch nicht so hohe Pegelstände erreicht. Dafür könne die Flut bis zu drei Wochen dauern. Freude fügte hinzu, es seien 60 Hektar zusätzliches Überflutungsgebiet geschaffen worden. Der Deich bei Ziltendorf besitze zur Sprengung vorbereitete Stellen.

Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) teilte noch mit, es gebe genügend Vorlaufzeit, um das Vieh aus jenen Gebieten zu bringen, die zum Schutz des Unteren Odertals geflutet werden könnten. Umweltministerin Anita Tack (LINKE) betonte, Grund zur Panik bestehe nicht. Brandenburg investierte seit 1997 rund 220 Millionen Euro in den Hochwasserschutz. Dies werde sich auszahlen, sagte Tack. Berichte, wonach Biber die Deiche unterhöhlt und die Gefahr des Bruchs vergrößert hätten, wies sie erneut zurück. Auch Platzeck winkte ab: »1997 hat man dem Maulwurf die Schuld geben wollen.«

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