Nachhilfe schon in erster Klasse

Bereits Grundschüler werden fürs Gymnasium getrimmt

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(dpa). In Berlin erhalten immer mehr Grundschüler professionellen Nachhilfeunterricht – manchmal bereits von der ersten Klasse an. Die Gründe dafür sehen Nachhilfe-Institute unter anderem in der langen Diskussion um Bildungsreformen und Schulqualität. »Da geht ein massiver Leistungsdruck von Eltern aus, insbesondere in bildungsorientieren Familien«, sagt Olaf Bönick von der Aha-Nachhilfe. Das jahrgangsübergreifende Lernen von der ersten bis zur dritten Klasse, das ein Teil der Berliner Grundschulen anbietet, werde von vielen Eltern kritisch als »Spielschule« empfunden. Für das Lernen setzten sie Nachhilfe dagegen, auch schon in Klasse 1 und 2.

»Früher war professionelle Nachhilfe in der Grundschule eine absolute Rarität. Heute wächst spürbar die Nachfrage«, sagt Andrea Heiliger, Sprecherin des Bundesverbandes Nachhilfe- und Nachmittagsschulen. Häufig suchten Eltern vor dem Übergang ihrer Kinder an weiterführende Schulen Hilfe.

Neben dem neuen »Markt« Grundschule gibt es wenig Veränderung. Am häufigsten bekommen Schüler nach der jüngsten Verbandsstatistik in der 9. Klasse Nachhilfe (19 Prozent). Auf dem zweiten Platz liegen die Zwölftklässler vor dem Abitur (12 Prozent). Dann folgen die Sechstklässler (10 Prozent). Als Fächer werden vor allem Mathematik (44 Prozent), Englisch (22 Prozent) und Deutsch (19 Prozent) nachgefragt.

Eine Nachhilfestunde kostet je nach Alter, Einzel- oder Gruppenunterricht meist zwischen zehn und 20 Euro. Für Marion Lauterbach, Sprecherin des großen Anbieters Schülerhilfe, hat Nachhilfeunterricht nicht allein mit dem Schulsystem zu tun. »Da gibt es auch die Pubertät, familiäre Probleme, Umzüge oder längere Krankheiten als Gründe.« Hauptzielgruppe bleibe bei der Nachhilfe die Mittelstufe. Einen Boom der Branche sieht auch sie nicht. »Das ist eher eine Konstante«, sagt Lauterbach.

Das sehen nicht alle Anbieter so. Die Wirtschaftskrise lasse das Geld für Nachhilfe bei Eltern nicht mehr so locker sitzen wie früher, heißt es beim Berliner Nachhilfe-Institut Abacus. Doch auch dort wächst das Geschäft mit Grundschülern. »Manchmal sind es sogar Lehrer mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, die Eltern Nachhilfe empfehlen«, sagt eine Sprecherin. Die Lehrer begründeten das damit, dass sie nicht 30 Kinder verschiedener Klassen auf einem Lernniveau halten könnten. Deutlich häufiger als früher suchen bei Abacus auch Grundschulkinder mit der ärztlichen Diagnose Legasthenie (Lese- und Rechtschreibschwäche), Dyskalkulie (Rechenschwäche) oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit) Rat und Hilfe. »Es sind oft nicht hysterische oder überehrgeizige Eltern, die zu uns kommen«, ergänzt die Sprecherin. »Viele Kinder haben einfach große Wissenslücken.« Bei der Aha-Nachhilfe habe die Betreuung von Grundschülern »enorm zugenommen«, sagt Sprecher Olaf Bönick. »Oft geht es darum, die Kindern von Anfang an fürs Gymnasium zu trimmen.«

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