Festival Jazzdor

Imaginäre Folklore

  • Hansdieter Grünfeld
  • Lesedauer: 2 Min.

Zum vierten mal in Berlin angekommen und vom deutsch-französischen Jazz-Publikum akzeptiert, präsentiert die Veranstaltungsreihe Jazzdor Strassbourg-Berlin in diesem Jahr an vier Abenden 13 Formationen. Mit acht französischen Gruppen liegt »Le Grand Nation« vom Künstleraufkommen her klar in Führung. Eine Gruppe aus deutschen Musikern ist leider nicht zu verzeichnen. Aber bezeichnenderweise sind musikalisch gesehen fünf europäische Mischformationen – abgesehen von einer 9-köpfigen rein französischen Band, geleitet von David Chevallier – am interessantesten.

Seit Jahrzehnten lebt die japanische Pianistin, Komponistin und Orchesterleiterin Aki Takase in Berlin. Zum integralen Bestandteil der lokalen Szene ebenso gehörig, wie international bekannt, eröffnet sie mit dem Saxofonisten Louis Sclavis die Veranstaltungsreihe. Freie Spielweisen, jede Menge Improvisation und »Imaginäre Folklore« haben diese großartigen Virtuosen auf dem Programmzettel. Auch der nachfolgende Auftritt des Vincent Courtois Quartet verdient besondere Aufmerksamkeit. Denn Jeanne Added, ihr Familienname verweist auf arabische Herkunft, spielt nicht nur ausgezeichnet Cello, sondern beweist auch stimmlich, dass es keiner skandinavischen Kühle und keinem Nora Jones Gehauche bedarf, um zu überzeugen. Im gleichen Atemzug wäre da auch Mina Agossi zu nennen, deren stimmliche Wandlungsfähigkeit sie sowohl Jazz- wie Rockkompositionen meistern lässt.

»Die Ratzen im Feld pfeifen wüst. Sie wollen nicht französisch sein, weil das eine Schande ist«, schrieb der große Brecht ironisch in seiner unsterblichen »Legende vom toten Soldaten« schon 1916, und bekam hierfür prompt einen Schulverweis. »Das Kapital«, also Daniel Erdmann, Hasse Poulsen und Edward Perraud, spielen Kompositionen von Hanns Eisler, der mit Brecht erfolgreich und anerkannt zusammenarbeitete.

Zu verweisen gilt es auch unbedingt auf das Duo Jean-Louis Matinier und Michael Riessler. Hier lassen Virtuosen des Akkordeons und der Bassklarinette bitten. Doch am gespanntesten macht die erstmalige Begegnung zwischen Michel Godard und Günter Baby Sommer, weltberühmte Meister an Tuba und Schlagzeug, die am letzten Konzertabend besonders locken sollten. Wenn auch offensichtlich von PC-Schwierigkeiten bei der Präsentation gebeutelt, konnte daher der künstlerische Leiter des Festivals, Philippe Ochem, auf der Pressekonferenz stolz erklären: »Voilà, wir haben fertisch.«

Konzerte: Jazzdor, vom 2. bis 5.6., jeweils ab 20 Uhr, Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg, Weitere Anfragen zum Programm unter: 44 31 51 15, weitere Informationen im Internet unter www.jazzdor-strassburg-berlin.eu

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