Das Blut der Wirtschaft

Die Gier nach Öl von Krieg zu Krieg – zwei Studien

  • Gerd Fesser
  • Lesedauer: 2 Min.

Was Horst Köhler in Afghanistan offen aussprach, ist durch zahlreiche Beispiele der Geschichte belegt. Insofern ist die Verwunderung in deutschen Feuilletons und Politikerkreisen verwunderlich. Vielleicht liegt dies daran, dass Publikationen wie die hier anzuzeigende, zu wenig gelesen werden. Dietrich Eichholtz und Titus Kockel haben einen fundierten Band vorgelegt, in dem sie die deutsche Erdölpolitik in den 1920er und 30er Jahren behandeln.

Eichholtz stellt in seiner Studie die Versailler Nachkriegsordnung und die damalige Neuverteilung der Erdölressourcen dar. Im Rückgriff kennzeichnet er die Kriegsziele, welche die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verfolgt hatten. Dem türkischen Staat sollte lediglich ein Drittel Anatoliens bleiben. Die nationaltürkische Widerstandsbewegung vereitelte jedoch diese Pläne. Das besiegte Deutschland verlor seine Erdölressourcen in Rumänien und jegliche Anwartschaft auf das Öl des Irak. Aber auch das Bestreben Großbritanniens und Frankreichs, die die Weltressourcen an Öl unter sich aufzuteilen, so zeigt der Autor, wurde durch die USA durchkreuzt.

Die Studie Kockels gilt der deutschen Erdölpolitik der Jahre 1928 bis 1938. In Deutschland erzeugtes synthetisches Benzin war Ende der 20er Jahre drei Mal so teuer wie aus Erdöl erzeugtes. Auf Drängen der mächtigen IG Farben führte die Regierung Brüning enorm hohe Zölle ein, die das unrentable synthetische Benzin schützten. Bereits 1932 gewannen Manager der IG Farben Hitler für die Zusage, die Schutzzölle beizubehalten und die synthetische Treibstoffproduktion zu fördern.

Nach 1933 gelang es den IG Farben, ihre Interessen gegen Konkurrenten und widerstrebende Reichsinstitutionen durchzusetzen. Sie machten sich dabei das Drängen der Wehrmachtsführung auf sichere Versorgung mit Treibstoff zunutze. Freilich war das Ziel, Deutschlands Abhängigkeit von den Devisen verschlingenden Erdölimporten zu beseitigen, völlig unrealistisch: auch 1938 deckten synthetische Produktion und eigene Förderung lediglich etwa 20 Prozent des deutschen Ölbedarfs. Deutsche Bestrebungen, Ölressourcen in Mexiko und Ecuador zu erschließen, kamen nicht mehr zum Tragen. Foto: dpa

Dietrich Eichholtz/Titu Kockel: Von Krieg zu Krieg. Zwei Studien zur deutschen Erdölpolitik in der Zwischenkriegszeit. Leipziger Universitätsverlag. 197 S., 19 €.

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