Afrikas Musterland Botswana im Fußballfieber

In der Hauptstadt Gaborone ist zu spüren: Es ist die WM eines ganzen Kontinents

  • Armin Osmanovic, Gaborone
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Organisatoren der WM werden nicht müde, es zu behaupten: Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ist eine des ganzen Kontinents. Zumindest in Botswanas Hauptstadt Gaborone lässt sich das nachvollziehen.

Nach 230 Kilometer Fahrt von Johannesburg machen wir, um zu tanken, kurz vor der Grenze zu Botswana in Zeerust Halt. Neben den Tankstellen finden sich entlang der Hauptstraße zwei Kirchen, Geschäfte und einige Schnellimbissrestaurants. Auch hier sieht man viele Südafrikaner mit ihren gelben Trikots der Nationalmannschaft Bafana Bafana. Die N4, die hier direkt durch die Stadt führt, ist Teil des Trans-Kalahari-Highways, der langen Fernstraße, die Namibias kleine Kapitale Windhuk, Südafrikas Regierungssitz Pretoria und Mosambiks Hafenstadt Maputo verbindet. Von der Kleinstadt Zeerust sind es noch 130 Kilometer auf der schmalen Regionalstraße nach Gaborone, der Hauptstadt Botswanas.

Als wir Gaborone erreichen, ist es bereits dunkel. Die Straßen sind kaum beleuchtet. Wir müssen vorsichtig fahren, da die Straße von der Grenze, die sechs Kilometer vor der Stadt verläuft, auf vier Spuren ausgebaut wird. Wegen des starken Feierabendverkehrs kommen wir sowieso nur langsam voran. Neben den Minibustaxen, dem Massentransportmittel Afrikas, die bis zu 20 Personen transportieren, sieht man auf den Straßen Pick-ups und wie in Südafrika die großen Geländewagen sowie BMW- und Mercedes-Fahrzeuge.

Botswana zählt zu Afrikas wohlhabendsten Staaten. Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von ca. 6000 US-Dollar rangiert es vor seinem großen Nachbarn Südafrika (5500 US-Dollar pro Kopf). Natürlich ist es mit seinen nicht einmal zwei Millionen Einwohnern ein wirtschaftlicher Zwerg gegenüber der Kaprepublik, doch kein Land in Afrika kann wie Botswana auf eine größere politische Stabilität und anhaltend starkes Wirtschaftswachstum zurückblicken. Aber wie in Südafrika, ist das Gefälle zwischen reich und arm immens.

2009 wurde auch Botswana von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen. Die Wirtschaftsleistung ging um vier Prozent zurück. Vor allem die Nachfrage nach dem Hauptexportgut Diamanten brach ein. Debswana, der Diamantenproduzent an dem De Beers, die ihren Hauptsitz in Johannesburg und London haben, und Botswana mit je 50 Prozent beteiligt sind, stellten sieben Wochen lang die Diamantenförderung wegen der Krise ein. Mit der weltweiten wirtschaftlichen Belebung hat sich auch die Situation der Wirtschaft in Botswana verbessert. Aber auch dieses Jahr wird nur mit einem Wachstum von circa drei bis vier Prozent gerechnet. Deutlich weniger als in den Boomzeiten.

Das lang anhaltende Wachstum zeigt sich im Stadtbild Gaborones. Nicht nur der dichte Verkehr auf den Straßen zeugt von dem wachsenden Wohlstand in den vergangenen Jahren, auch die neu errichteten zwei bis dreigeschossigen Mehrfamilienhäuser, die vielen am Stadtrand aus dem sandigen Boden sprießenden Einkaufsmalls und eine nicht zu übersehende neu errichtete Kirche der Universal Church of the Kingdom of God spiegeln den Aufschwung der vergangenen Jahre. Im immer noch überschaubaren Stadtzentrum müssen wir einige Zeit suchen, um wegen des dichten Verkehrs einen Parkplatz zu finden.

Gaborones Zentrum besteht aus wenigen Hochhäusern vor allem staatlicher Unternehmen wie der botswanischen Telekom und einer kleinen Einkaufspassage. Dort spielt sich an diesem trockenwarmen Wintertag mit einer Mittagstemperatur von 25 Grad Celsius das Leben auf der Straße ab. Afrikanische Musik ist zu hören. Menschen stehen am Ende des Monats vor den Bankautomaten Schlange, um ihr Gehalt abzuheben. Die Wartenden bekommen von Straßenverkäufern Mittagessen angeboten, das vor den Banken in großen Blechschalen aufgewärmt bereitsteht. Unweit von den Straßenverkäufern sitzt ein junger Mann vor einer Nähmaschine, daneben arbeitet ein Schuster unter einem Sonnenschirm zahlreiche alte Treter wieder auf. Drei asiatische Touristen haben sich in die Fußgängerzone verirrt und verhandeln den Preis von Armreifen aus Holz. Auch hier sieht man an vielen Verkaufsständen die gelben Shirts der südafrikanischen Fußballnationalmannschaft Bafana Bafana im Wind baumeln. Aber nur wenige Menschen tragen sie hier.

Für das Abendessen gehen wir in die Riverwalk-Einkaufsmall. In diesem neu gebauten Einkaufstempel kann man fast alles bekommen. Das Restaurant, das vor allem Steaks anbietet, ist mit zumeist jungen Publikum gut gefüllt. Es dauert nicht lange und wir werden als Deutsche erkannt und auf die WM angesprochen. Ein junger Mann fragt uns, ob wir schon Tickets hätten und welche Spiele wir anschauen werden. Unsere Bedienung, ein junger Mann aus Mauritius, der Pilot werden will und der nebenher im Restaurant arbeitet, hat 23 Eintrittskarten. Wir sind neidisch. Von Gaborone zum nächsten WM-Stadion in Rustenburg sind es nur 265 Kilometer. Viele der wohlhabenden Einwohner Gaborones werden dabei sein und nicht nur in Rustenburg. Hier fühlt man ein wenig von dem, was die Organisatoren der WM immer gerne behaupten: Es ist die WM Afrikas.

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