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Täuschend echt, doch nur Attrappe

Kunstfälscherbande wegen gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt

  • Lesedauer: 2 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Kriminelle Missetäter haben in der Regel keinen guten Ruf. Diebe, Gauner, Schläger, Betrüger, Mörder haben sich mit ihren Bösartigkeiten außerhalb der Gesellschaft gestellt und müssen dafür büßen. So sagt es das Gesetz und so will es das Volk. Eine Ausnahme bildet vielleicht jene Kategorie von Tätern, die mit hoher Meisterschaft Kunstwerke hervorzaubert. Sie wird bewundert und beneidet ob ihrer Fähigkeit, Originale täuschend echt nachzuempfinden.

Ob der 52-jährige Restaurator Jürgen R. auch zu jener Spezies gehört, wird sich erst herausstellen, wenn die Urteile in dem Prozess gesprochen sind. Das wird im August sein. Fünf ehrenwerte Herren zwischen 41 und 66 Jahren und eine 63-jährige Kunstgattin stehen seit gestern wegen gewerbsmäßigen Betrugs vor Gericht. Sie haben sich mit dem Ziel zu einer Bande zusammengeschlossen, sagt die Staatsanwaltschaft, gefälschte Gemälde der Maler Felix Nussbaum und Martin Kippenberger an reiche Interessenten zu verhökern.

Die Werke des jüdischen Malers Nussbaum, der von den Nazis 1944 in Auschwitz ermordet wurde, waren bis in die 80er Jahre relativ unbeachtet, erzielten aber ab 1997 gigantische Gewinne. So wurde ein Werk bei einer Auktion für 1,7 Millionen Euro an einen unbekannten Bieter versteigert. Das sorgte für Begehrlichkeiten.

Die Bande unter Leitung eines 70-Jährigen, der gesondert verfolgt wird, beauftragte den Restaurator, ein Stilleben mit der Signatur Nussbaums anzufertigen. Er erhielt dafür gerade mal 5000 Euro. Für 200 000 Euro ging das »Original« an das Nussbaum-Museum in Osnabrück. Ein weiteres Gemälde »Selbstporträt mit Maske, Handschuh und Fußball« wurde für 320 000 Euro an eine Galerie verkauft, die es für 500 000 Euro an einen US-amerikanischen Bieter weiterleitete. Mitgeliefert wurden Expertisen und Legenden zur Entstehungsgeschichte der Gemälde. Schlechter lief es mit dem Versuch, Kippenberger-Imitate auf den Markt zu bringen. Die Auktionshäuser spielten nicht mit. Ende 2009 flog der Schwindel mit den Fälschungen auf.

Zum Auftakt des Verfahrens schweigen sie, belauern sich gegenseitig. Alle wollen erst aussagen, wenn der Restaurator sich entblättert hat. Doch der schweigt zunächst auch. Es geht um viel Geld, bekannte Namen aus der Adelskaste als Vermittler und internationale Auktionshäuser, die hier betrogen wurden. Ein falsches Wort könnte dunkle Flecken auf edle Herrschaften werfen und den Ruf von Villa Griesbach, Christie's oder Sotheby's beschädigen.

Jürgen R., der Restaurator, der aus dem Osten kommt, ein stiller und durchaus sympathischer Mann der Künste, ist das wichtigste und zugleich ärmste Glied in der Gewinner-Kette. Den großen Reibach, das steht schon zu Prozessbeginn fest, haben die anderen gemacht.

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