Verspätet und unzureichend

Ehemaliger des Canisius-Kollegs kritisiert Papst-Äußerung zu Kindesmissbrauch

  • Lesedauer: 2 Min.

(epd). Der ehemalige Schüler des Berliner Canisius-Kollegs, Robert Schulle, hat die Entschuldigung des Papstes bei den Missbrauchsopfern als zu spät und unzureichend bewertet. Die Diskussion um Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche laufe in Deutschland bereits seit Monaten, das kirchliche Oberhaupt habe sich in der Zeit jedoch nicht geäußert, kritisierte das Missbrauchsopfer Schulle am Samstag im Deutschlandfunk. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann (SPD), gab derweil an, bislang hätten sich etwa 1000 Menschen bei der Telefon- und Online-Beratung für Opfer sexuellen Missbrauchs gemeldet.

Die meisten Opfer, die sich bei der kostenlosen Beratung meldeten, seien im Alter zwischen 50 und 60, sagte Bergmann der »Berliner Morgenpost«. Die Bundesregierung hatte das Angebot Ende Mai eingerichtet. Die Opfer forderten immer wieder die frühzeitige Aufklärung von Kindern bereits im Kindergarten sowie den Wegfall der Verjährungsfristen für entsprechende Straftaten. Zudem heiße es immer wieder, »nicht wegsehen, den Kindern glauben«, sagte die frühere Bundesfamilienministerin nach zwei Monaten im Amt.

Schulle sagte, bei der Entschuldigung des Papstes bleibe die Frage nach der Verantwortung ungeklärt. In kirchlichen Einrichtungen seien Dinge passiert, die dem Vatikan seit Langem bekannt gewesen seien, ohne dass darauf reagiert worden wäre. In der Beziehung müsse der Papst noch weitere Worte folgen lassen. Am Freitag hatte Papst Benedikt XVI. bei der Abschlussmesse zum Priesterjahr um Vergebung für Kindesmissbrauch durch Geistliche gebeten. Die Kirche werde alles tun, um weitere Missbräuche zu verhindern.

Als positiv wertete Schulle, dass erstmals Gründe innerhalb der Kirche für den sexuellen Missbrauch von Kindern genannt wurden. Bislang seien gesellschaftliche Probleme dafür verantwortlich gemacht worden. Benedikt hatte angekündigt, dass die Anwärter auf das Priesteramt besser geprüft werden sollen.

Der Papst habe es allerdings versäumt, Konkrete Aussagen zu einer Entschädigung der Opfer zu machen, kritisierte Schulle. »Entschuldigungen und Entschädigungen gehören zusammen«, betonte Schulle. Das eine wirke nur durch das andere.

Als Vorbeugung gegen Missbrauch schlug Bergmann vor, auf potenzielle und tatsächliche Täter »mehr Druck der Institutionen« auszuüben. Lediglich ein Prozent der Täter sei krankhaft auf Kinder fixiert. Sie gehe davon aus, dass noch längst nicht alle Fälle von Missbrauch bekannt sind. »Wir stehen erst am Anfang.« Dabei betonte Bergmann, dass es nicht nur in der katholischen Kirche zu Missbräuchen von Kindern gekommen sei. »Täterinstitutionen sind und waren Sportvereine ebenso wie nicht-kirchliche Schulen.« Zudem finde sexueller Missbrauch »auch und vor allem in Familien statt«, betonte die Politikerin.

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