Treuepflicht bei Untreueunternehmen?

Kündigung eines Treberhilfe-Prokuristen vor dem Arbeitsgericht verhandelt

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Wo er recht hat, hat er recht, der Richter Boyer vom Berliner Arbeitsgericht. Er nannte die Aufregungen um die so genannte Maserati-Affäre bei der Treberhilfe Berlin GmbH verlogen. Dass Ex-Boss Harald Ehlert mit einer Luxuskarosse Maserati durch die Gegend kutschierte, sei »systemkonform«. Wenn der Staat Sozialarbeit privatisiere, dann komme eben so etwas dabei heraus.

In der gestrigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht ging es aber nicht um die schillernden Auswüchse einer gemeinnützigen GmbH, sondern um den Rauswurf ihres Prokuristen Ingo Bullermann, bisher zuständig bei der Treberhilfe für den Bereich Wohnprojekte. Standesgemäß fuhr auch Bullermann, der in zehn Jahren Mitarbeit vom Sozialarbeiter bis in die Chefetage des Unternehmens aufstieg, einen BMW C4, wie alle anderen Prokuristen auch. Doch als der Sumpf dicke Faulblasen an die Oberfläche trieb, da war es Bullermann, der nicht mehr mitspielte und schonungslose Aufklärung forderte. Da das aber kein Kündigungsgrund ist, suchte man nach anderen Schwachstellen. Und die glaubte man zu finden. Bullermann habe seine Treuepflichten in elementarer Weise verletzt, weil er unter Kollegen der Treberhilfe für eine Konkurrenzeinrichtung geworben habe und sich selbst offensichtlich auch absetzen wollte, begründete der Anwalt der Treberhilfe die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Als die Gesellschaft nach Maserati und Edel-Villa ins Trudeln geriet und nicht mehr aus den Schlagzeilen kam, trieb die Angst vor Insolvenz die Mitarbeiter auf die Straße und es wurde laut über die Zukunft des Unternehmens nachgedacht. Bullermann war dabei. Zu der Zeit war die Treberhilfe Mitglied des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Als sich die Diakonie ihres Schmuddelkindes entledigen wollte, ging die Treberhilfe juristisch dagegen vor. Mit einer einstweiligen Verfügung soll der Verbleib in der Gemeinschaft gesichert werden. Die Angelegenheit ist noch in der Schwebe. Dessen ungeachtet soll Bullermann für eine Auffanggesellschaft in der Diakonie geworben haben – Verrat an den Interessen der Treberhilfe, meint ihr Anwalt.

Außerdem seien Daten über alle Immobilienangelegenheiten der Treberhilfe erst kopiert und dann gelöscht worden. Sie tauchten später in der Senatsverwaltung auf, die eine Untersuchungskommission eingesetzt hatte. Wer die Daten weitergeleitet hat, blieb bisher unbekannt, die Verantwortung für diesen Bereich hatte Bullermann.

Alles erstunken und erlogen, sagt der Bullermann-Anwalt. Man habe nur einen Anlass gesucht, um einen unbequemen Mitarbeiter loszuwerden. Auf der Führungsetage solle ein Klima der Angst erzeugt werden. Sein Mandant habe sich nichts vorzuwerfen. Es sei doch normal, wenn sich ein verantwortlicher Mitarbeiter Sorgen um die Zukunft eines Unternehmens mache und im Interesse der Kollegen Gedanken für den Ernstfall entwickele. Falsch, sagt der Gegenanwalt, damit habe Bullermann eindeutig gegen die Satzung der gemeinnützigen GmbH verstoßen.

Der Versuch eines Vergleichs ist bisher gescheitert. Das liege an den unangemessen hohen Forderungen der Bullermann-Seite. Beschäftigung bis zum 31. Juli und eine Abfindung von 40 000 Euro sollen als Forderung auf dem Tisch gelegen haben. Zu hoch, empfindet auch Richter Boyer. Und er erwartet, dass beide Seiten Beweise vorlegen, noch sind es nur Behauptungen. Schraubt Bullermann seine Geldwünsche nicht radikal nach unten, wird man sich im Oktober wiedersehen.

Wie recht hat doch Richter Boyer. Es gibt eben keinen braven, anständigen, nur auf das Wohl der Mitmenschen gerichteten Kapitalismus. Wer in Sozialarbeit investiert, der will auch gut davon leben können. Sonst würde niemand auch nur einen müden Euro einsetzen. Kapitalismus eben.

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