Sternzeichen Stiletto

Malkovich, Glitzer und im Zaum gehaltene wirre Ideen zur Berliner Modewoche

  • Caroline Bock und
  • Lesedauer: 3 Min.

Barbara Engels, dpa

Gäbe es dieses Sternzeichen, dann würde es passen: Berlin steht im Zeichen des Stilettos. Die Modewoche hat begonnen. Der Mann, der als Schauspieler die Idealbesetzung für fiese Liebhaber und Frauenmörder ist, mag Mode. Auch wenn man es ihm nicht gleich ansieht. John Malkovichs Krawatte ist verdreht, zum sandfarbenen Anzug trägt er etwas zu derbe Treter. Aber er ist ein Gentleman und bleibt auch noch geduldig, als er gefühlt zum 20. Mal nach der deutschen Fußballmannschaft gefragt wird. »Ich wünsche ihr Glück.«

Malkovich ist bei der Berliner Modewoche, um seine Herrenlinie vorzustellen. Bis zum Wochenende werden zu Messen und Laufstegschauen 120 000 Fachbesucher erwartet. Die Modewoche überschneidet sich diesmal mit den Schauen von Paris. In Berlin reicht die Spanne von großen Marken wie Calvin Klein über Nachwuchsdesigner und Dessous-Präsentationen bis zur Skateboarder-Messe in der einstigen Stasi-Zentrale.

Da Malkovich ein prominenter Neuzugang ist, herrscht Dienstagabend in der Edelboutique The Corner am Gendarmenmarkt dichtes Gedränge. Cocktails kreisen. Malkovich bekommt von Regisseur Volker Schlöndorff dessen Memoiren. Die beiden kennen sich von Filmen wie »Der Unhold« und »Tod eines Handlungsreisenden«.

Malkovichs dritte Modekollektion trägt den Titel »Technobohemian«. Er bezeichnet sie als »leicht und luftig«, zu den Kreationen gehören karierte Hosen und Hemden mit Stehkragen. »Ich habe Mode schon immer gemocht«, sagt der 56-Jährige. Er interessiere sich für Stoffe und Schneidern, weniger fürs Geschäftliche und Defilees.

Vor dem Fashion-Week-Zelt auf dem Bebelplatz laufen Besucherinnen in Kleidchen über das Pflaster. Die High Heels tragen sie wegen Stolpergefahr in der Hand. Die dänische Sängerin Aura Dione kommt mit zwei Schuhen auf dem Kopf drapiert.

Bei der Party der Illustrierten »Grazia« patrouillieren Hostessen, als Modepolizei. Sie registrieren, dass viel Glitzer im Spiel ist. »Plateau ist angesagt«, hat eine Modepolizistin beobachtet. Im Innern des Zeltes gibt es eine »Best of«-Show, bei der die Designer je eine Kreation zeigen. Zum Finale stolzieren drei Models im schwarzen, roten und nicht ganz goldenen Kleid über den Laufsteg.

Ohne Fußball geht es diese Woche nicht. Auf dem stillgelegten Flughafen in Tempelhof kann man die wohl lässigsten Fans treffen. Die auf Streetwear spezialisierte Fachmesse Bread & Butter, die sich als international führend sieht, versteht es, Geschäft und Event zu verknüpfen. Am Biergarten stehen Kickertische. Zum WM-Gucken auf Großleinwand gibt es vor den Hangars ein Stadion für 5000 Besucher. Bei Toren schmettern die Fans den Triumphmarsch und duschen mit Bier. Über Jeans-Schnitte wird später diskutiert. 650 Aussteller sind dabei, darunter Replay, Adidas und Levi's.

Der erste Berliner Designer, der auf dem Bebelplatz seine Kollektion vorstellt, ist am Mittwoch Marcel Ostertag. Die kontrastreiche Kollektion mit Overalls und Rüschenkleidern trägt den Titel »I love to hate you« - »Ich liebe es, dich zu hassen«. Designerin Jette Joop (42) zeigt sich beim Empfang im Hotel de Rome als Öko-Bohemian. »Ich lege sehr viel Wert auf Natur und Nachhaltigkeit.« Ihre Produktpalette ist breit: vom Paillettenkleid über Schmuck bis zum Besteck. Die Kulisse wirkt wie aus dem Märchen, mit Käfigen, Moos und Steinskulpturen. Ein männliches Model turnt in Tarzan-Manier auf einer Schaufensterpuppe. Jette Joop sagt, sie müsse ihre »wirren Ideen schon ganz schön im Zaum halten«.

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